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Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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weil der nichts taugte. Kannte Glenlyon selbst den Grund dafür? Wollte John Hill ihn kennen?
    Zugleich sorgte Hill sich um die Gefangenen, die er Glenlyon anvertraut hatte, namentlich um den jungen Glencoe, der beim Appell wie ein Betrunkener schwankte und nicht zu hören schien, was man ihm sagte. Er hatte ihn allein zu sich bestellt und ihn auf Herz und Nieren befragt, ob jemand ihn misshandle, aber der Mann sprach nicht, zuckte ewig mit den Schultern oder schüttelte den Kopf. Glenlyon behauptete, er sei verstockt, sonst nichts.
    Vielleicht sollte er ihn schlicht gewähren lassen. Glenlyon war leidlicher, seit er die Aufsicht über die Gefangenen führte, trank sogar mäßiger und seine Züchtigungen fielen beherrschter aus. Als er den Schmächtigen allerdings zum zweiten Mal schlug, rief Hill über den Platz: »Lasst es für heute genug sein, Robert. Ich bin zufrieden, Eure Männer sind in guter Verfassung. Flüchten wir aus diesem Hundewetter und gönnen uns ein gutes Abendessen!« Bei der Mahlzeit mochte Glenlyon sich ihm öffnen. Hill schlief besser, wenn er das Gefühl hatte, die Verbindung zu dem Mann nicht zu verlieren. Außerdem war für ihn eine Nachricht gekommen.
    Die Reihe erhielt den Befehl, sich aufzulösen, und die durchnässten Männer trollten sich. Glenlyon, dessen langer Offiziersmantel nicht trockener war, stapfte Hill durch den Schlamm entgegen. »Ich könnte etwas Warmes im Bauch gebrauchen.«  
    »Ihr habt es Euch verdient.«
    Glenlyon klopfte ihm auf den Arm. »Ich mache nur rasch, dass ich in trockene Kleider komme, und sehe nach meinen Schützlingen.«
    »Nach den Gefangenen müsst Ihr doch nicht jeden Abend sehen.«
    »Ach, Hill, ich bin mit diesen Lausebengeln schlimmer als eine Hühnerglucke. Mir schmeckt das Essen besser, wenn ich weiß, meinen Küken ergeht es wohl wie kleinen Maden im Speck.«
    »Dem Sohn vom MacIain ergeht es nicht wohl«, entfuhr es Hill, obgleich er die Sache hatte ruhen lassen wollen.
    »Er hat sich den Magen verdorben.« Bedauernd lächelte Glenlyon. Über sein fein geschnittenes Gesicht lief Regen.
    »Die Ruhr?«
    »Nicht doch, nur ein zu vollgeschlagener Bauch. Ich lasse ihm ein paar Tage lang Schonkost reichen.«
    Damit trennten sie sich. Hill stolperte hinüber zu den Offiziersbaracken, die in letzter Zeit zumindest notdürftig ausgebessert worden waren und inmitten derer das steinerne Haus des Gouverneurs stand. Er war selig, sein Quartier zu betreten, in dem sein Bursche schon eingeheizt, einen warmen Rock bereitgelegt und gegen die Düsternis Kerzen angezündet hatte. Der Bursche hätte ihm auch beim Umkleiden helfen sollen, doch Hill mochte seinen verhärmten alten Leib keiner fremden Hand mehr anvertrauen. Er brauchte lange, ehe er fertig war, gönnte sich eine Waschung in erhitztem Seifenwasser und gab sich dem bisschen Seelentrost dankbar hin. Als er hinüber ins Speisezimmer kam, das ihm zugleich für Empfänge und Sitzungen diente, traf auch Glenlyon ein. Er wirkte rotwangig, aufgeräumt und wie verjüngt. Vielleicht war er doch kein so schlechter Offizier, und die harte Arbeit in den Herbststürmen belebte ihn.
    Wie hübsch Robert Glenlyon in seiner Jugend gewesen sein mochte, konnte Hill erahnen, als sein Gast sich vor der Karte an der nackten Steinwand aufbaute, auf der Hill die zu erwartenden Truppenbewegungen vermerkt hatte. »Wie es aussieht, wird alles, was Beine hat, zu uns nach oben verlegt.«
    »Ja, und wenn es nach dem Herrn Dalrymple geht, setzt es sich über den Winter so fort. Er hat mich bereits aufgefordert, in den Tälern nach Ausweichquartieren zu suchen. Dass die Garnison nicht mehr Leute fassen kann, ist ihm schließlich bekannt.« Er beobachtete Glenlyon von der Seite. Ahnte er, worauf all das zulief?
    »In den Tälern? Wie versteht sich das?« Glenlyon wirkte aufrichtig verblüfft.
    »Nun, wir werden wohl auf die Gastfreundschaft der Clanchiefs im Umland zurückgreifen müssen, wenn in diesem Umfang Kompanien verlegt werden. Aber setzt Euch doch. Mein Bursche trägt gleich die Suppe auf.«
    Es war eine kräftige Suppe aus weißen Rüben und Rindfleisch, wie auch Hill sie nur selten bekam. Zum Ausgleich würde der Hauptgang mager ausfallen, doch bis dahin hätten Speise und Wein Glenlyons Zunge gelöst, sofern das Glück ihm hold war. Was er eigentlich von ihm zu erfahren hoffte, wusste Hill derweil noch immer nicht genau. Glenlyon ließ es sich schmecken, vergaß aber nicht, was vor der Wandkarte gesprochen worden war.

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