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Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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dir treiben, ohne dass ich den Finger darauflegen kann.

    Drei Tage lang, in denen es ununterbrochen geregnet hatte, ertrug der MacIain den Schmerz, den er gelobt hatte, auf sich zu nehmen. Dann war es damit vorbei. An den Tagen zuvor war es ihm schwergefallen, morgens aufzustehen und seine Kleider anzulegen, obwohl ihn das Stillhalten um den Verstand brachte, obwohl er in Kreisen durch sein Haus stampfen und alles, was sich ihm stellte, aus dem Weg stoßen wollte. Am vierten Tag hörte es zu regnen auf. Über Nacht war es beinahe winterlich kalt geworden. Der MacIain stand noch im Dunkeln auf, zog sich an und rüttelte Morag wach.
    »A graidh?«
    Sie kam sofort zu sich und setzte sich auf. So war es immer gewesen. Weiber, die ja des Nachts auf Kinder zu achten hatten, brauchten nicht einmal einen Herzschlag, um aus dem Schlaf zu tauchen. »Was ist?«
    Er setzte sich zu ihr und streichelte ihr das Gesicht, als nähme er für lange Zeit Abschied. »Ich reite nach Inverlochy«, sagte er. »John Hill ist kein schlechter Mann. Wir haben, als wir jünger waren, manch lustige Nacht zusammen verbracht. Ich sage ihm, ich will Sandy Og loskaufen, ich hab das Silber aus der Truhe genommen.«
    Morag starrte ihn an. Er fand ihre Augen golden. Bis heute wusste er, wie sie ihm vorgestellt wurde, das goldäugige Mädchen, das sein Vater ihm als Braut bestimmt hatte. Sechzehn Jahre alt war er gewesen und der stolzeste Bursche von Glencoe. Er hatte sich in sie verliebt, als sie mit ihren wie blank geputzten Wangen vor ihm stand, und er war noch immer verliebt in sie, hatte das Leben, das sie geteilt hatten, aus ganzem Herzen genossen. Im Aufstehen beugte er sich vor, um sie zu küssen.
    Sie drehte den Kopf weg. »Das kannst du nicht machen: einen von Willies Männern bestechen und deinen Sohn wie einen Feigling rausholen, während Appin und seine Leute aufrecht in den Tod gehen. Und das Gold kannst du auch nichtnehmen. Was ist mit Ceana? Und mit der elternlosen Una? Sollen die ohne Mitgift aus dem Haus?«
    Dem MacIain stockte der Atem. Er hatte mit Morag sprechen wollen, nicht mit Ranald, weil er sicher gewesen war, dass sie ihn verstand. Er konnte nicht glauben, was sie gesagt hatte, seine Morag, Sandy Ogs Mutter. Auf diesem Bett hatte sie gelegen und ihm sein Kind entgegengehalten, splitternackt und verschmiert und wundervoll. »Noch ein kleiner Mordskerl mit roten Zotteln für dich.« Sandy Og hatte nicht gebrüllt wie die anderen und die Augen nicht zugekniffen. Sandy Og hatte sich ins Leben gestaunt.
    Wer bist du denn?, dachte der MacIain und hatte es nicht zu Ende gedacht, da bemerkte er, dass er es laut gesagt hatte: »Wer bist du denn? Hast du mir den Jungen nicht geboren? Und jetzt willst du von mir, dass ich die Hände überm Wanst falte und meinen Jungen krepieren lasse? Bespucken, prügeln, mit verdammten Füßen treten?«
    »Hör auf.«
    »Nein, ich hör nicht auf, in mir hört’s Tag und Nacht nicht auf. Ich weiß nicht, wie du schlafen kannst. Wenn ich die Augen zumach, seh ich vor mir, wie sie meinen Jungen in die Mangel nehmen – meinen Sandy Og, der so verflucht empfindlich ist und gar nichts aushält, schlimmer als ein Mädchen.«
    »So ist er nicht!«, schrie sie zurück. »Was weißt denn du? Die zwei, die dir nichts recht machen konnten – Gormal und Sandy Og –, die ich härter hernehmen sollte, nicht verzärteln, nicht verhätscheln, die haben mehr aushalten müssen als deine zwei Lieblinge. In denen ist viel mehr Tapferkeit als in John und Ceana und in dir und Ranald und jedem von euch.« Sie warf ihr Gesicht in die Hände, dass ihr das Haar darüberfiel, und weinte.
    Der MacIain hatte Morag seit dem Morgen nicht weinen hören, an dem er ihr Sandy Og nach Hause getragen und wie ein Stammler herausgepresst hatte, was mit ihm geschehen war.So recht verstand er sie nicht, doch das kümmerte ihn nicht, denn das Wichtigste glaubte er ja zu verstehen: »Du willst nicht, dass ich Sandy Og sterben lasse, nicht wahr, Morag?«
    »Doch!«, schrie sie, nahm die Hände herunter und zeigte ihm ihr rotes, verzerrtes Gesicht. »Doch, lass ihn sterben! Lass ihn endlich sterben, dazu hast du ihn mir doch gemacht! ›Häng dein Herz nicht dran‹, hast du gesagt, ›nimm ihn nicht in Schutz, der ist ein Bub und muss was vertragen können‹. Und dann, als ihm das Unglück geschehen ist, als er im Kopf nicht mehr richtig war und dir nicht mehr getaugt hat – da hab ich ihn bei mir behalten wollen. Verdroschen hab ich

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