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Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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müssen, warum habe ich mich abhalten lassen? Sie kniete nieder. Weil sie ihm nichts zu trinken geben konnte, tat sie, was sie noch nie getan hatte: Sie schloss die Arme um ihn und zogihn an sich, verschränkte die Hände in seinem Rücken und streichelte ihn zart mit einem Finger, wie sie es bei keinem Menschen gewollt hätte, nur bei Sandy Og.
    Der Uralte schmiegte sich an sie, ließ sich fallen, hatte keine Angst. Sein alter Leib war so mürbe und leicht, als wären nur Knochen übrig und hätten schon Jahrzehnte in der Erde gelegen. »Bist du wieder da, Floraidh?«, flüsterte er. Die Augen fielen ihm zu, seine Lippen kräuselten sich, verzogen sich zum Lächeln.
    »Hol Wasser!«, rief Ceana Eiblin zu, aber die blieb stehen.
    »Nein, das bist du, Ceanaidh«, flüsterte der Uralte. »Mein Mädchen, mein Süßes, meine Lerche im Brombeerstrauch. Eines von meinen Augäpfelchen haben die schwarzen Feen mir zurückgebracht.«
    Es ging unglaublich schnell. Das Lächeln blieb ihm. Mit größter Anstrengung reckte er den dünnen Hals und küsste Ceana aufs Kleid, irgendwo in der Taille, wo sein Mund eben hintraf. Dann sackte sein Kopf zurück in ihren Schoß, ein kleiner Laut befreite sich, und er war tot.
    Ceana zweifelte nicht daran und prüfte es auch nicht nach, sondern kniete stockstill mit dem Toten auf den Schenkeln. Dann erfasste ein Zittern ihre Hände, bevor es auf ihre Arme, ihre Schultern und ihr Innerstes übergriff.
    »Komm da weg!« Eiblin riss an ihr, in ihrer Stimme klirrte der Schrecken vor dem Tod. »Wir müssen ja irgendwen holen. Leg ihn doch hin und komm. Wo Vater MacIain nicht da ist, holen wir den Tacksman von Inverrigan.«
    Wie es Eiblins Art war, ihr Heil, ihr Segen, plapperte sie vor sich hin und rupfte weiter an Ceanas Schulter. Ceana jedoch hatte das Gefühl, keines ihrer Glieder lenken, sondern nur zusehen zu können, wie sie an ihr schlackerten. Irgendwann löste sie sich, obschon das Zittern nicht nachließ. Sie musste sich zwingen, den Toten noch einmal zu berühren, ihn an den Wangen zu nehmen und von sich herunterzuschieben. Mühsamstand sie auf. Eiblin hatte bei der ersten Bewegung ihre Schulter losgelassen und sich aus dem Verschlag gezwängt. Hinter ihr trat Ceana hinaus. Diese Nacht hatte nichts Wirkliches an sich, sie war wie ein gläsernes Bild, das zerspringen würde.
    »Was …«, hörte Ceana sich sagen und setzte noch einmal an. »Was hat er damit gemeint?«
    Eiblin schrie auf und bedeckte ihr Gesicht wie an dem Tag, als John sie geohrfeigt hatte. »Hör doch auf, Ceana, hör doch auf. Darüber soll ja keiner reden, wie über die Nachtkerzen, es ist ja alles nicht wahr, nur dummes Zeug, das Weiber schwatzen, und als ich einmal meinen Johnnie gefragt hab, hat er mir nicht mal Antwort gegeben. Gleich zugehauen hat er, dabei war er sonst nie so, und er hat gesagt, dass er nie mehr ein Wort davon hören will. Und das hat er auch nicht. Kein Wort hat er zu hören bekommen in all den Jahren. Ich war ihm eine brave Frau, aber wenn ich jetzt noch mal über dich oder was immer spreche, dann wirft er mich aus dem Haus.«
    Ceana war stehen geblieben. »Was?«, fragte sie.
    »Wie was ?«
    »Was ist nur dummes Zeug, das Weiber schwatzen? Was will dein John nie wieder hören?«
    »Gormal auch!«, schrie Eiblin. »Gormal hat gesagt, wenn ich’s noch mal in den Mund nehme, schneidet sie mir die Zunge raus.«
    »Was?«
    »Na, das von dem Uralten. Dass der dein Vater sein soll.«

    Sarah hatte umkehren müssen, bevor sie aus Glenlyon herausgekommen war. Sie hatte Helen angebettelt, ihr Gaul und Karren zu leihen, aber die Tante hatte sie ausgelacht und sie gefragt, ob sie den Karren überhaupt lenken könne, ob sie den Weg nach Edinburgh kenne, ob sie unterwegs samt ihrem Kind verhungern wolle. »Du weinst jetzt, weil du in der Falle sitzt«, hatte Helen gesagt, »aber eine, die nicht zu schätzen weiß, wie viel Glück sie hat, Sarah, die hat es nachgerade verdient. Du warst schon immer so: hast verschmäht, was man dir auf den Tisch gestellt hat, als schulde dir das Leben Besseres. Wer bist du denn? Die Prinzessin von Oranien? Warum siehst du nicht mich an, dann weißt du, was das Leben deinesgleichen schuldet.«
    Du hast eine heikle Prinzessin in dir , hatte Gormal einmal gesagt.
    Sarah hatte versucht, einem Tacksman des Onkels einen Karren zu stehlen, aber weil sich das Pony in der Tat nicht lenken ließ, holte der Tacksman sie im Handumdrehen ein. Nur weil er sie hübsch fände, sagte er,

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