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Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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Bestrafung nach der äußersten Härte des Gesetzes für sich selbst und die ihm Angehörigen zu rechnen.
    »Verstehst du?« Lochiel sah ihn an, und Sandy Og sah Lochiel an. Der Lärm um sie verblasste unter der Stimme eines Toten: Falls mir etwas zustoßen sollte, sorgt dafür, dass die Männer keinen Eid leisten. Sie mögen so viele trunkene Beschlüsse fassen, wie sie wollen, aber keinen Eid, nichts, das sich nicht aufheben lässt.
    »Du weißt, was ich damals zu dir gesagt habe, oder? ›Wir brauchen dich noch – nicht wenn wir den Eid verhindern, denn den verhindern wir nicht. Aber wenn wir ihn eines Tages brechen.‹«
    »Das können wir nicht.«
    »Du weißt so gut wie ich, dass wir müssen. Ich sag’s dir heute noch einmal: Es kostet eine Menge, tapfer zu sein, wenn man nicht dumm ist, aber du bist Manns genug dazu. Du musst deinem Vater jetzt helfen.«
    In Sandy Ogs Hirn schrillte der pfeifende Ton, und die Schmerzen in Nacken und Schläfen pressten ihm den Kopf zusammen, und dennoch arbeiteten seine Gedanken blitzschnell. »Nein.«
    »Was soll das heißen: ›Nein‹?«
    »Nicht jetzt«, sagte Sandy Og. Etwas wird geschehen müssen, etwas werde ich tun müssen, aber erst, wenn das andere getan ist. Das, was jetzt das Einzige ist. »Ich muss nach Glenlyon.«
    »Aber wir haben keine Zeit!«
    Scheinbar ungerührt drehte Sandy Og sich nach dem Pferd um, ergriff mit der freien Hand den Sattelknauf und saß auf. Ein Schmerzenslaut entfuhr ihm, ehe er die Lippen schließen konnte, und kurz wurde ihm schwarz vor Augen. Herr des Himmels. Jedenfalls würde er bei jedem Schritt, den der Gaul bis Glenlyon setzte, seine Entschlossenheit beweisen müssen. »Ich habe auch keine Zeit«, sagte er zu Lochiel.
    »Verflucht noch eins! Wenn ich dein Vater wäre …«
    »Ich weiß.« Sandy Og hob die Hände, und als er feststellte, dass er eine allein heben konnte, ließ er die Rechte wieder sinken. »Mir ist einerlei, was Ihr mit mir tätet, wenn Ihr mein Vater wärt. Ihr seid nicht mein Vater. Mir ist auch einerlei, was mein Vater mit mir täte. Ich bin kein Knabe mehr, ich reite jetzt zu meiner Frau und komme nach Glencoe, so schnell es eben geht.« Er reichte Lochiel die Tonflasche.
    Der nahm sie und drehte sie in einer Hand. Sandy Og hob die Zügel und wollte eben das Pferd wenden, als Lochiel wieder aufsah und dem Tier in den Zaum griff. »Dann also gute Reise, was? Wenn ich dein Vater wäre, ließe ich mich übrigens von deinem blöden Zucken nicht abhalten, sondern nähme dich in die Arme, bis dir die Knochen knacken. Und hernach würde ich mich kleinlaut bei dir bedanken, weil du derart nobel die Prügel wegsteckst, die mir gebühren.«

    Eiblin und Ceana saßen hinter dem Haus des MacIain und wuschen im Schein von Ceanas eiserner Laterne Wäsche. Es gab jetzt tagsüber so viel zu tun, dass immer etwas für den Abend blieb – sei es Waschen oder Salzen oder Kleiderflicken. Zu Eiblins Füßen schlief ihr jüngstes Kind, der an Beltane geborene Knabe, der nach seinem Großvater Alasdair hieß. Mit seinen zwei Jahren hätte Eiblin ihn nicht mehr mit sich im Weidenkorb herumschleppen müssen, doch vielleicht ertrug sieihren Korb nicht leer. Es war kalt, und Ceana hätte den Zuber gern ins Haus getragen, aber dort schlief die Lady mit all den elternlosen Kindern. Die wollte Ceana nicht wecken, und ohnehin ging sie der Lady aus dem Weg, soweit sie es vermochte.
    »Ich hab doch niemandem Böses gewollt, nicht mal Gormal, auch wenn sie oft hässlich zu mir war, und schon gar nicht dir, Ceana. Und wenn jetzt Sandy Og stirbt, bin doch ich nicht schuld!« Eiblin wusch keine Wäsche, sondern saß dabei und weinte. Dieser Tage weinte sie so viel, dass ihr Gesicht aufgequollen war wie die Hände der Campbell vom ständigen Waschen. Aber die Campbell war nicht mehr hier, und Gormal war nicht mehr hier, weshalb Ceana die Wäsche für Gormals drei Kinder und den Krüppel der Campbell waschen musste.
    »Ceana? Sagst du nichts? Bist du mir so böse? Aber ich bin doch nicht schuld! Sandy Og hat ohnehin gehen müssen, und es ist nun einmal nicht richtig, dass ein verheirateter Mann eine andere herzt, noch dazu seine Milchschwester. Wenn das mein John wäre …«
    »Es ist nicht dein John!«, schrie Ceana. Gleich darauf tat es ihr leid. Eiblin hatte das alles schon etliche Male wiederholt, Abend für Abend redete sie auf Ceana ein, wohl weil sonst keiner mehr ihr zuhörte. Ceana wollte nicht grausam sein, sie glaubte zu wissen, was

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