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Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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Eiblin litt: einen Schmerz, der nie still war, nicht beim Lufteinziehen und nicht beim Luftausblasen, nicht beim Wachen und nicht beim Schlafen. Nur wenn ich mit Sandy Og allein und unter unserer Glocke bin, lässt er mir Frieden, dachte Ceana. Verstehst du das nicht? Für dich war all dies Heimat: die gleichen Dinge, die wir taten, das gleiche Zeug, das wir schwatzten, und jetzt, wo das zu Ende ist, irrst du voller Schmerz durchs Dunkel. Für mich war nur Sandy Og Heimat, etwas von Zuflucht und Ewigkeit. Ein jeder denkt ja, Ewigkeit sei das, was nach ihm nicht aufhört. Dabei ist es in Wahrheit anders, glaub ich: Ewigkeit ist das, was länger da war, als ich denken kann.
    Eiblin schluchzte lauter, und Ceana zog die Hände aus demWasser, nahm die andere in die Arme, hielt sie fest, bis diese sich beruhigte, und redete wie allabendlich auf sie ein. »Nein, du bist nicht schuld, du hast das Beste gewollt. Jeder weiß das, keiner ist dir böse.« Und Sandy Og stirbt nicht, hörst du? Von Sandy Og verstehst du nichts, also rede nicht von ihm.
    »Und warum spricht dann keiner mit mir, mein John nicht, die Mutter Morag nicht? Alles schlägt Haken um mich, als hätte ich Krätze.«
    »Lass ihnen Zeit.«
    »Wie kann ich das denn? Mir ist zum Sterben und ich versteh nichts mehr – wie kann ich denen da Zeit lassen? Du hast eisige Hände, Ceana. Wie der Tod. Du solltest des Nachts nicht waschen, weißt du? Es ist zu dunkel; du kriegst die Wäsche nicht sauber. Wie die Sarah, die alles in Fetzen wäscht, aber nichts sieht hübsch und ordentlich aus.«
    Ceana ließ Eiblin los und steckte die Hände wieder in den Zuber.
    »Merkwürdig, oder? Wir haben die Sarah nie gemocht, die hat hier nie hergehört, aber jetzt, wo sie weg ist, weißt du, da gehört sie doch hierher, und auch wenn sie eine übellaunige Krähe ist, fehlt sie.« Eiblin schniefte und rieb sich das verschwollene Gesicht. »Mir fehlt das, was immer war. Wie kann denn das aufhören? Selbst Gormal, und bei der war sogar der Strick immer gleich, mit dem die ihr Haar flocht. Was soll denn werden? Wir müssen doch ins Tal zurück, so viele sind nicht mehr da, und ich hab so schreckliche Angst. Gott in der Höhe, wie soll ich da meine Kinder lehren, was falsch und was richtig ist?« Schluchzend beugte sie sich über das Weidenkörbchen und ließ ihre Tränen auf den schlafenden Knaben tropfen.
    Zorn überkam Ceana. Hätte ich ein Söhnchen von Sandy Og, einen Augapfel, den ich hüten dürfte, ich trüge ihn ans warme Feuer, ich wäre bei jemandem daheim. Es war wie jede Nacht: Eiblin heulte Fragen ins Dunkel, auf die keine Frau der Welt Antwort wusste, und gleich würde sie das Kind aus dem Korb reißen, sodass es zu schreien anfing und sie es in ihr Haus bringen musste. In dieser Nacht aber war es nicht Eiblins Kind, das schrie, sondern ein anderer.
    Er schrie nicht einmal laut, und Ceana ertappte sich dabei, dass sie wie Sandy Og die Hand hinters Ohr legte und die Muschel hochbog, um besser zu hören. Halb irre lachte sie auf.
    »Was ist mit dir?«, fragte Eiblin.
    »Hörst du nicht, dass jemand schreit?«
    Eiblin ließ von dem Kind und lauschte in die Nacht. Dann winkte sie ab. »Das ist nur der stinkende Uralte. Zu dem darfst du nicht mehr, hat Mutter Morag gesagt.«
    Just als Eiblin es aussprach, erkannte es auch Ceana. Sie nahm die Laterne und stand auf.
    »Hörst du nicht, was ich sage? Du darfst da nicht hin, der soll dich nicht toll im Kopf machen, hat Mutter Morag gesagt.«
    Ceana ging einfach weiter, denn es bedeutete ohnehin keinen Unterschied, ob man Eiblin etwas sagte oder nicht. Die lief hinter ihr her und redete weiter auf sie ein, und morgen würde sie Ceana bei der Lady anschwärzen. Soll die Lady mich doch ausschimpfen, mich zusammenstauchen, solange sie nur nicht länger stumm umhergeht, als ob wir, die übrig sind, für keinen mehr zählen. Weil Eiblin so laut schwatzte, konnte sie den Uralten nicht gut hören, doch immerhin erkannte sie, dass er Worte rief. Namen. Als sie fast vor seinem Verschlag standen, rief er ihren Namen. »Ceana. Ceanaidh.« Dann verstummte er.
    Sie riss die knarrende Tür zurück und duckte sich in den Verschlag. Im Laternenlicht sah sie ihn auf der Seite liegen, er hatte das Laken mit Blut bespuckt und röchelte, wie sie es von ihm kannte, wenn er Durst litt. Sein dünner Arm hangelte durch die Luft, die Finger versuchten, sich um seinen Becher zu krallen, der jedoch umgeschüttet am Boden lag. Ich hätte bei ihm bleiben

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