Glencoe - Historischer Roman
Gesicht zufliegen – Lochiels Hand. Er warf den Kopf zur Seite und sprang aus dem Weg. Herz, Puls, Atem, alles schien zu fliegen. Mochte der Mann von ihm denken, was er wollte, solange er ihn nur gehen ließ.
Lochiel betrachtete erst seine Hand, dann Sandy Og. »Ichwüsste ganz gern, wer dich kopfscheu gemacht hat«, sagte er, »aber du wirst es mir nicht sagen, richtig?«
»Es tut mir leid«, murmelte Sandy Og. »Ich bin in Eile.«
»Das wundert mich nicht. Deine Familie wird nicht minder in Eile sein, dich wiederzubekommen. Ich reise mit dir nach Glencoe. Unterwegs habe ich mit dir zu reden.«
»Ich reite nicht nach Glencoe«, sagte Sandy Og. Von den Stallungen her kam der wackere Hill mit einem Knecht, der ein dunkles Pony am Zügel führte. Erleichtert seufzte er auf. »Dort wird mein Pferd gebracht. Wenn Ihr mich also entschuldigt?«
»Hattest du nicht einen hohen Gaul mit Flecken, als ich dich das letzte Mal sah?«
»Jetzt habe ich eben einen niedrigen schwarzen. Was tut das zur Sache?«
»Selbstredend nichts, ganz recht, Freundchen. Mit dir zu reden habe ich trotzdem, auch wüsste ich gern, wohin die Reise geht.«
»Nach Glenlyon.«
Durchdringend sah ihm Lochiel ins Gesicht. »Ich habe mich nicht verhört, nicht wahr? Muss ich wieder einmal lesen, was du denkst?«
Hill und der Knecht mit dem Pferd halfen Sandy Og aus der Not. Mit wortreichem Gestammel entschuldigte sich Hill für den Zustand des Sattelzeugs und den geringen Wert des Tieres. »Ich hoffe, es gibt sonst nichts, das Euch gegen meine Garnison einen Groll hegen ließe«, kam er endlich zum Ende. »Mir liegt der Frieden in dieser Gegend am Herzen. Unsere Mittel sind knapp, aber wenn Euch ein Ungemach widerfahren ist, das Euren Vater gegen uns aufbrächte, so erhielte ich gern Gelegenheit, Euch dafür zu entschädigen.«
Bring mir ein Ohr, das nicht pfeift. Sandy Og nickte Hill zu und nahm dem Knecht die Zügel aus der Hand. »Sollte mein Vater sich darum scheren, lasse ich ihn wissen, dass Eure Garnison ein mit Daunen gepolsterter Hort der Gastfreundschaft ist.«
Lochiel pfiff durch die Zähne, was sich mit dem Pfeifen in Sandy Ogs Ohr zu einer Spitze vereinte. Als Hill mit dem Knecht gegangen war, förderte er aus seinem Mantelsack eine Tonflasche zutage und hielt sie Sandy Og hin. Der zog den Korken heraus, fand aber die Flasche leer.
»Nicht trinken. Zerschlagen«, sagte Lochiel. »Das ist besser, als auf den armen Hill einzuprügeln, der sich die Knochen verrenkt, um es sich mit keinem zu verderben, und auf den du im Übrigen hören solltest. Uns rinnt die Zeit durch die Finger. Wenn wir diesen Felsbrocken von deinem Vater jetzt nicht bewegt bekommen, seh ich euren großen Mann von Ballachullish, und der macht mir Angst, Freundchen. Glaub mir, der macht mir Angst.«
Deshalb also war er gekommen. Um ihm sein Versagen in Achallader vorzuwerfen, um ihm noch eins zu versetzen, obgleich es niemandem nützte. »Der Vertrag ist ohnehin wertlos«, gab Sandy Og zurück und zog die Gurte am Sattel des Ponys fest.
»Das ist er in der Tat. Nicht wieder erschrecken.« Lochiel tippte ihm auf die Schulter, und Sandy Og schoss herum. Der andere hielt ihm ein Papier entgegen. »Darüber wollte ich mit dir sprechen. Es ist wichtig. Was immer du in Glenlyon zu schaffen hast, wird warten müssen.«
»Sind denn die Gesandten mit Nachricht von König Jamie zurück?«, fragte Sandy Og verstört und begann, das Papier zu lesen:
Ihre Majestäten, König William III . und Königin Mary II ., geben hiermit in ihrer Gnade bekannt, dass jedem Manne, der gegen die Krone in Waffen stand, Vergebung und Schutz gewährt sein soll für den Fall, dass er vor dem ersten Tage des folgenden Jahres den Eid der Treue ablegt auf König und Königin.
Lochiel schüttelte den Kopf. »Jamie konnte auf uns in letzter Zeit wohl keinen Gedanken verschwenden«, sagte er so leise, als wolle er Sandy Og nicht beim Lesen stören. »Limerick ist gefallen, die letzte irische Bastion. Wir haben verloren, Freundchen. Ganz und gar verloren. Neue, geheime Gesandte sind auf dem Weg, aber sie bitten nun nicht mehr um des Königs Zustimmung zu dem unseligen Vertrag, sondern um die Erlaubnis, einen Eid zu schwören.«
Sachte tippte er auf das Papier.
Dieser soll geleistet werden vor den Angehörigen Unseres Staatsrats oder vor dem Sheriff des Bezirks, in dem der nämliche Untertan wohnhaft ist. Wer es aber versäumt, vor Ablauf der genannten Frist den Eid zu leisten, hat mit
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