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Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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diese Bezeichnung verdiente.
    Er hatte nicht ertragen, wenn Gäste es mit Schuhwerk betraten, wenn sie über die edlen Hölzer der Böden trampeltenund ihnen Schrammen beibrachten. Jeder Gegenstand in Meggernies Räumen besaß sein eigenes Leben und verdiente Schonung. Wer Robs Haus betrat, hatte es auf Strümpfen und mit Ehrfurcht zu tun. Es war nicht rechtens, einem Mann das Haus zu nehmen, nachdem er diesem alles gegeben hatte, seine Träume, seine Jugend, sein Geld. Rob hatte Meggernie zu dem gemacht, was es war. Das Haus seines Feindes nannte sich prahlerisch Carnoch, Haus der Weinbecher , aber im Tageslicht war es wenig mehr als eine Höhle, in der Pack wie Schwarzwild hauste. Meggernie hingegen war die Perle in der Auster Glenlyon. Marmor und Seide, Samt und Spitze, Silberplatten und gleißender Burgunder in Kristall – all das war Meggernie gewesen und Rob ein König, der über ein Reich aus Gediegenheit herrschte.
    Dass er diesen Hort je wieder verlieren könnte, wäre ihm nie in den Sinn gekommen. Doch es war geschehen, ganz langsam wie eine schleichende Krankheit. Solange er nur den Männern seines Tales Geld geschuldet hatte, hatte er nichts zu befürchten, denn er blieb ihr Laird, von dem keiner Fälliges einzutreiben wagte. Erst als im Tal die Quellen versiegt waren, hatte das Verhängnis seinen Lauf genommen. Er hatte von anderen borgen müssen, von jedem lieber als von seinem Vetter Breadalbane. Und Robert hatte mit Zähnen und Klauen gekämpft, sich in den Fels gekrallt, auf dem sein Haus stand, und er hätte den Sieg auch davongetragen, wären nicht die Aasfresser aus Glencoe gekommen, um über Nacht seine Rinder zu stehlen. Niemand überlebt den Winter in Lochaber, wenn er an Sankt Martin keinen Winter-Mart zu schlachten, kein Fett auszulassen und kein Fleisch zu pökeln hat. So war Rob nichts anderes übrig geblieben, als von dem Vetter zu borgen. Und als er im Frühjahr nicht zahlen konnte, hatte der Vetter ihm Meggernie genommen.
    »Tut mir ja leid um dich, Rob«, hatte er bekundet. »Als ich mich mit Wassersuppe durchschlug, warst du das Hätschelkinddes ganzen Clans, doch heute zeigt sich wohl, wozu solch saftlose Schule taugt.«
    Breadalbanes Leute hatten nicht lange gefackelt. Und so hatte Rob an einem leuchtenden Sommertag zwei Servierplatten aus schwerem Silber, das letzte Andenken an seinen Traum, in Leinen geschlagen und Helen sagen müssen: »Heute Morgen nahmen sie mir Meggernie.«
    Er hatte Helen Lindsay, sechzehn Jahre alt und ohne Busen, aus ihrem ärmlichen Elternhaus heraus geheiratet und in seinen Palast geführt. Der Laird des Tales, Rob, der Kornblonde, hatte aus der Tochter einer Krämerwitwe eine Fürstin gemacht, und alles, was die Mutter ihr dafür überschrieben hatte, war das mickrige Chesthill mit ein paar Morgen Land gewesen. Allein Helen, versteht sich. »Wenn dein Herr Gemahl die Finger drauflegt, wälzt sich dein Vater im Grab«, hatte sie der Tochter zugetuschelt, wohl wissend, dass Rob an der Tür alles hörte. »So ein kleines Gut versäuft sich schnell.«
    Wie es nun stand, würde der Alte sich im Grab wälzen müssen, bis ihm die Knochen staubten, denn Helens Gemahl hatte die Finger tatsächlich auf Chesthill gelegt. Der Laird von Glenlyon besaß sonst nichts mehr, kein Dach, unter dem seine sieben Kinder hätten schlafen können. Seine Frau, dieses kuschende, geduckte Ding, hatte ihm nie vergeben, dass er nun auf ihr Erbe angewiesen war; in ihren Augen blitzte Triumph, sooft sie vor ihm stand. Das ist es, was mich innerlich verrotten lässt , erkannte er. Mein eigenes Weib ist mein Feind, und das vergiftet jeden Raum in meinem Haus .
    Rob trieb das Pferd an. Sieh den Fluss nicht an , befahl er sich, doch er hatte es längst getan. Inzwischen ließ das morgendliche Gold die Nebel um das Flussufer schmelzen; auf trägen Wellen trieben in endloser Reihe Stämme von Eichen und Fichten. Seinen Eichen und Fichten. Was ihm vom Wald geblieben war, hatte er an Fremde verscherbeln müssen, die sein Holz auf diesem Weg aus dem Tal schafften. Robs Gerte zischte durch dieLuft. Er würde den Goldfuchs zuschanden reiten, ehe ihm jemand auch noch das Tier nahm.
    Schweiß rann ihm den Rücken hinunter, sein Kopf wollte platzen, und das Land vor seinen Augen zerfloss. Es war ein Glück, dass das Pferd nicht strauchelte und er sich nicht den Hals brach – doch war es das wirklich? Kurz sehnte er sich danach: Ein Fall, ein Stein, ein rascher Tod, und seine Qualen hätten ein

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