Glencoe - Historischer Roman
besprochen, das sie vor dem Gesinde geheim zu halten wünschten?
Der Vetter goss Wein in sein eigenes Glas, leckte verschüttete Tropfen vom Rand und stellte die Karaffe zurück. Du hast mich vergessen! , wollte Rob rufen, doch ein Rest von Stolz lähmte ihn.
»Nimm’s nicht so schwer«, sagte Breadalbane. »Die junge Anne ist gewiss ein possierliches Geschöpf, wenn sie nach dir kommt. Die wird auch ohne Mitgift einen Bräutigam finden, auch wenn es dabei nicht so hoch hinausgehen mag, wie der Herr Brautvater sich das vorgestellt hat.«
Rob hätte seine Töchter dem Erstbesten gegeben, einem Kesselflicker, wenn er sie nur aus dem Haus und weg von seinem ungedeckten Tisch gehabt hätte. Aber der Gläubiger, dem er Chesthill verpfändet hatte, würde sein Geld sofort zurückverlangen, wenn sich die Aussicht auf den betuchten Schwiegersohn zerschlug. Rob wäre nicht nur arm. Er wäre obdachlos.
»Ich begreife Euer Dilemma.« Rob erschrak. Ohne dass er es gemerkt hatte, war Archibald Argyll so dicht vor ihn getreten, dass ihm der Duft des Weines in die Nase stieg. »Eine Tochter unter Wert zu vermählen ist viel verlangt von einem Vaterherzen.«
»Ja, ganz recht, so ist es.« Robs Stimme zitterte, der Weinduft machte ihn schwach.
»Sagt, habt Ihr nicht eine Nichte hinter dem Rannoch Moor?«, wechselte Argyll jäh den Gesprächsgegenstand. »In diesem Rattennest Glencoe?«
Die Erinnerung an das Mädchen mit den dürren weißen Schenkeln und die Teufel hinter dem Moor, die es gestohlen hatten, war das Letzte, was Rob verkraftete. Schande genug, ein Stück Schlachtvieh zu verlieren, aber was für ein Mann war der, der sich ein Weib stehlen ließ? »Denen verdanke ich mein Unglück«, stieß er heraus. »Wie soll ich in Frieden wirtschaften, wenn mir Verbrecher den Bissen Brot aus dem Mund rauben?«
»Und die Hosen von den Arschbacken, he?« Breadalbanewarf den Kopf mit der protzigen Perücke in den Nacken und lachte hämisch. »Armer Rob! Versäuft ein Vermögen, vergeigt am Spieltisch ein zweites, und dann kommt auch noch der MacIain und stiehlt ihm den Staub aus den leeren Taschen!«
»Nehmt es dem Onkel nicht übel«, bat Argyll. »Ein gekaufter Grafentitel verleiht eben noch keinen Adel. Erzählt mir stattdessen von Eurer Nichte, hat sie es ordentlich getroffen? Man sagt ja, das viehische Volk in Glencoe hause in Torfhütten und schlafe auf gerupftem Heidekraut. Aber der MacIain soll sich besserstehen. Da ergeht es Eurer Nichte bei seinem Sohn gewiss auch nicht übel?«
»Sarah«, sagte Rob grundlos.
»Ich darf bitten?«
»Meine Nichte heißt Sarah. Die hat der Mob aus Glencoe ergaunert. Ich hätt sie denen über meine Leiche nicht gegeben.«
»Wie bedauerlich.« Vor Robs Augen erhob Argyll sein Glas. »Ich frage mich, ob Ihr Eure Nichte wohl gelegentlich besucht.«
»Niemals.«
»Tatsächlich nicht? Sollten Verwandte einander nicht willkommen heißen? Ich frage mich noch etwas, Robert. Könnt Ihr Euch denken, was ich mich frage, wenn ich Euch ansehe?«
Das konnte Rob beim besten Willen nicht, doch Argyll hob gleich an, es ihm zu sagen: »Ob Ihr ein Mann Jamie Stuarts seid, frage ich mich. Wie so viele aus Euren Tälern.«
Rob schluckte trocken. Etwas in Argylls Stimme verriet, dass sein Schicksal von seiner Antwort abhing – nicht nur für den morgigen Tag, wenn er zu Helen zurückmusste, sondern für den Rest seines Lebens.
»Ihr sagt nichts? Schweigt hier ein feiger Mann oder ein weiser?«
Zwei Atemzüge, ein ersticktes Würgen. Aber kein Wort.
»Soll ich Euch etwas gestehen? Ich bin ein seltsamer Kerl. Mir war mein Leben lang ein beherzter Gegner lieber als ein Kumpan, der kriecht.«
Und was willst du hören? Glaubst du, ich weiß nicht, dass du zu jenen zählst, die William von Oranien Schottlands Krone antragen, dass du auf eigene Kosten ein Regiment aufstellst, das auf den Niederländer vereidigt wird? Ein beherzter Gegner ist dir lieber als ein kriechender Kumpan – soll ich also sagen, ich sei ein Mann Jamie Stuarts? Ich bin ein Verlierer, wie kann ich mir leisten, der Mann eines Verlierers zu sein?
»Noch immer kein Wort?«
»Macht Euch keine Hoffnung«, schnarrte Breadalbane. »Eher bekommt Ihr ein Wort aus einem Grottenolm.«
»Ich bin ein Mann, der sein Schottland liebt«, entgegnete Rob gepresst. Man konnte nicht Jamie Stuarts Mann sein, denn Jamie Stuart war Vergangenheit. Ein Hochländer aber konnte ebenso wenig ein Mann Williams sein, es sei denn, er wäre ein Verräter
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