Glencoe - Historischer Roman
der Schmerz klein beigibt.
Sein Blick schweifte ab. Sie konnte nichts tun. Als die Pfeifer zum Verschnaufen innehielten, gab sie ihn frei.
»Sei mir nicht böse«, bat er, die Stimme atemlos vor Erleichterung.
Und wenn ich dir böse wäre , dachte Ceana, was nützte mir das ?
Sie wollte nicht dorthin sehen, wo er nicht hinsehen wollte, zu der Seite, wo seine Frau stand, und als sie es doch tat, war die andere verschwunden. Ihr verkrüppeltes Balg, von dem Eiblin tuschelte, ein Stier wie ihr Schwager Sandy Og könne es unmöglich gezeugt haben, humpelte verloren auf seiner Krücke umher. Gleich darauf rief der MacIain die Männer zusammen, verteilte Klapse auf Schultern und Püffe in Rücken und trieb die Schar von dannen. »Nur auf ein Wort«, warf er den Frauen hin. »Ihr holt die Bannocks.«
Die Frauen taten, wie ihnen geheißen. Rannten, schleppten Körbe mit Bannocks und schürten Feuer am Hang. Der Wind gewann an Kraft, die Nacht, die so mild gewesen war und so süß geduftet hatte, wurde kühl und erinnerte daran, dass der Winter eben erst vorbei war.
Während die Frauen aus ihrem Vorrat herbeitrugen, was sie an Lebenswasser erübrigen konnten, schwatzten sie erregt wie Wildbäche.
»Er wird ihnen eben von Lochiel berichten, von Ewen Cameron. Was soll schon sein? Diesen Willie kann ja der Sassenach nicht zum König von Schottland machen«, suchte eine zu beschwichtigen.
»Wer ist denn der, der Willie?«, fragte eine andere dazwischen.
Wieder eine andere plusterte sich auf: »Das weißt du nicht? Das ist der Mann von Jamies Tochter Mary. Wie gottlos muss eine Tochter sein, dass sie dem eigenen Vater Thron und Krone raubt?«
Und eine vierte empörte sich: »Dafür werden sie üblen Lohn ernten, die Mary und ihr Willie! Unser Jamie ist ihnen entflohen, verkleidet als Bootsmann. Das Staatssiegel hat er in den Fluss geworfen, damit kein Verräter es sich schnappt. Wenn es wärmer wird, kommt er zurück. Soll er nicht schon in Irland gelandet sein?«
Ceana wusste, dass König Jamie in der Heiligen Nacht aus seinem Londoner Palast vertrieben worden war, nachdem sein Schwiegersohn mit einer Armee auf der Insel gelandet war. Töchter schuldeten ihren Vätern Treue, wie Ceana ihrem Milchvater, dem MacIain, zur Treue verpflichtet war, aber Prinzessin Mary hatte ihren Vater in eisiger Winternacht nach Frankreich gehetzt. Überall im Tal hatte man sich die unerhörte Geschichte erzählt; einen Herzschlag lang hatte die Zeit stillgestanden, aber einen Tag später waren die Frauen wieder in frostklirrender Frühe zum Melken gegangen, hatten das Pökelfleisch gewogen und den Trockenfisch gezählt und abgeschätzt, ob Korn und Wacholder genügten, um noch einmal Schnaps zu brennen. Ceana hatte das Rasseln des Schmerzes gespürt, doch dann hatte sie begonnen, für Eiblins neues Kind eine Decke zu säumen, und hatte den König jenseits des Meeres vergessen. So wie die Frauen ihn jetzt vergaßen.
»Hast du noch trockene Scheite, kannst du mir zwei Armvoll geben?«, fragte eine ihre Nachbarin.
»Was hast du an deine Bannocks getan, dass sie so göttlich duften?«, wollte eine andere wissen.
»Nur eine Prise Muskat«, gab die Angesprochene zurück und erhielt eine schnippische Antwort: »Tatsächlich? Bei euch muss es ja üppig hergehen, dass ihr euch sowas leisten könnt.«
Als die Feuer lodernd brannten und die Körbe mit dem Backwerk bereitstanden, kehrten die Männer zurück, die Hände in die Gurte geschoben, die Köpfe gesenkt. Ceana sah Sandy Og und erschrak. Es ist wahr, durchfuhr es sie. Die Männer gehen morgen in die Schlacht. Das hatten sie schon vorher getan: sich gerauft, um im Triumph zurückzukehren, gestohlene Rinder im Schlepptau und Blessuren an den Leibern, für die sie sich ausgiebigst hätscheln ließen. Sandy Og war mit einem Schnitt an der Stirn gekommen, einer Schwertwunde im Haaransatz. Tagelang war er mit der unversorgten Wunde herumgetrabt, denn die Frau in seinem Haus war kälter als der Wintervon Lochaber. Jedes Mal, wenn Ceana die blutrote Wunde hatte ansehen müssen, hatte es ihr in den Fingern gezuckt.
Jetzt war die Wunde vernarbt, und Sandy Ogs Haar hing zottelig darüber. In einer der Schlachten, so erzählte man im Tal, hatten ein paar MacIains einigen Campbells die Ohren abgeschnitten, und deren Clanchief, Archibald Argyll, hatte Rache geschworen. Bei dem Gedanken, jemand könne versuchen, Sandy Og die Ohren abzuschneiden, lachte Ceana auf. Wenn er lauschte, legte Sandy Og die
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