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Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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    »Der Herr von Argyll ersucht Euch, Urlaub zu nehmen, denn gewiss habt Ihr Belange zu ordnen«, hatte ihm Hill mit seinem väterlichen Lächeln mitgeteilt. »Es wird ja jetzt Winter, und die Lage dürfte sich beruhigen, vor allem wenn aus Inveraray bald laut wird, dass die ersten Chiefs den Eid geleistet haben.«
    An dieser fadenscheinigen Hoffnung klammerte Hill sich verzweifelt fest: Er sah all seine Schäflein mit wippenden Schwänzchen in den Pferch trotten und noch in diesem Jahr ihren Eid ablegen, auf dass der Schnee die Erinnerung an Krieg und Aufruhr deckte und im Frühjahr mit ihr zerschmolz. In Wahrheit hatte bisher kein einziger Chief den Eid geleistet. In Wahrheit war dies auch keinem möglich, vermutlich nicht einmal, wenn Jamie dazu seinen spinnenfingrigen Segen gäbe. Hatte Hill das in seinen Jahren in Inverlochy nicht gelernt? Nein, wahrscheinlich lernte niemand, der nicht in Lochaber geborenwar, dass ein Mann, der seine Ehre verscherzte, in Lochaber kein Mann mehr war. Vielleicht lernte es niemand so unauslöschlich wie Rob, dem es geschehen war.
    »Ich freue mich für Euch, Robert. Wer weiß, wie bald man Euch wieder zu den Waffen ruft, doch bis dahin könnt Ihr Euch im Schoß Eurer Familie erholen.« Der kleine Colonel, dem die letzten Wochen arg zugesetzt hatten, wirkte aufrichtig froh. Auf Anordnung von Staatssekretär Dalrymple war ihm mit Leutnant-Colonel James Hamilton ein Stellvertreter zugewiesen worden, ein gesunder, entschlossener Kerl, der dem alten Hill die Päckchen von den Schultern klaubte. Der schien um eine Tonnenlast erleichtert und gönnte Rob die Atempause sichtlich. So schieden die Männer beinahe wie Freunde voneinander. Rob mochte Hill für seine Schwäche verachten, aber der Alte war in dieser Hölle der einzige Gefährte gewesen, der sich um ihn sorgte, und Hill selbst war auf seine Weise nicht minder verraten und verkauft als Rob selbst.
    Rob mochte noch nicht ins Haus gehen. Noch einen Herzschlag lang wollte er im Regen stehen bleiben, die Latten streicheln und sich im gelben Lichtschein, der durch die Fensterscheibe drang, dem Traum hingeben, sein Heim sei wohlbestellt, sein Haus nicht herrschaftlich, aber mit Feingefühl möbliert, seine Frau, der Schoß seiner Familie, in liebevoller Erwartung, auf den Feuern ein brodelndes Festmahl, und zwischen alledem Sarah, sauber, weiß und schlicht, die vor dem Onkel knickste und ihm für seine Großmut dankte. Sogleich zerstob der Traum. Seine Sarah hatte ihn verlassen. Gab es in diesem Haus, das keine Hunde mehr bewachten, auch nur ein Geschöpf, das sich auf seine Ankunft freute?
    Mit Helens Nachricht, Sarah sei mit ihrem Mann davongezogen, war das Gerüst zerbrochen, das Rob aufrecht gehalten hatte. Die Strapazen der gnadenlosen Jahre forderten ihren Tribut. Er wurde krank, verlor Blut und wand sich in Krämpfen, sah Sandy Ogs Gesicht, als wären ihm die Augen nach innengedreht und jenes Gesicht in seinen Schädel eingebrannt. Am Ekel vor dem, was er getan hatte, verlor er den Verstand. Wenn der Sandy Og redete und wenn jemand ihm Glauben schenkte, gab es keinen Menschen mehr, dessen Blick Rob standhalten konnte. Er würde aus Lochaber fliehen müssen. Aus Schottland. Bis ans Ende der Welt und nähme sich doch mit.
    Er wünschte, Sandy Og MacDonald wäre tot, damit er schwieg. Vor allem aber, damit er ihn nie wiedersehen und nie wieder an das Entsetzliche denken musste, das in ihm gewütet hatte. Dabei sprach Rob sich nicht das Recht ab, an dem Burschen Rache zu üben, zumal dieser Brocken nicht aus Glas war, wie Hill zu glauben schien, sondern hartgesotten und ohne viel Gefühl. Unter gewöhnlichen Strafmaßnahmen zuckte ein derart Abgestumpfter mit keiner Wimper. Von Rache und Strafe war jedoch weit entfernt gewesen, was ihn im Dunkel der Baracke befallen hatte. Es war wider die Natur. Rob schauderte. Er hasste den Mann, der ihn so weit getrieben hatte, er hasste die schrecklichen Augen, den Blick, der ihn im Wachen wie im Schlaf verfolgte. Die Wunden in seinem Innern schwärten. Würden sie je wieder heilen? Würde ihn endlich ein Mensch in die Arme schließen, ihm das Haar glatt streichen und ihm zuflüstern: Sorg dich nicht mehr. Ruh dich aus. Du bist daheim?
    Seine Mutter hatte das nie getan. Und Helen? Helen, die keinen Mann wollte, sondern einen fleckenlosen Heiligen, besaß dazu nicht das Herz. Deshalb hab ich mich an dem Kerl aus Glencoe schadlos halten müssen. Ich hab ihn

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