Glencoe - Historischer Roman
Abgeschiedenheit, die Gott ihm zur Buße auferlegte, die Einsamkeit, in der kein Staatsgeschäft, kein Trubel des Hoflebens ihn von seinen Sünden ablenkte.
Der Sünden hatte er allzu viele begangen, und sie suchten ihn heim wie mit Geißeln und quälten ihn allnächtlich mit Träumen, in denen er die Foltern der Hölle durchlitt. Namentlich hatte er, Gottes Diener James, König von England, Schottland und Irland, die Frauen geliebt und ihnen nicht entsagt – nicht Frauen, die ihm durch das Sakrament der Ehe angetraut waren, die selige Anne und die süße, kindliche Maria, sondern andere. Verrufene Weibsbilder, die sich nicht einmal landläufiger Hübschheit erfreuten. Er, James, Gottes geringster Diener, der für seine abscheulichen Sünden bereits auf Erden Erniedrigungen ohne Zahl erdulden musste, hatte eine Schwäche für das Hässliche, Gemeine gehegt, bis der erlösende Ruf des Herrn ihn aus seiner Niederung gerissen hatte.
Aber der Herr vergab seinem Diener die Sünden nicht leicht. Nicht allein war er mit einer Tochter gestraft, vor der das Antlitz des Teufels barmherzige Züge annahm, nicht allein waren ihm die traute englische Heimat und die von Gott verliehene Würde genommen, nein, er ward noch härter geschlagen: Zuweilen, wenn jene Bilder der Sünde in ihm tobten, umnachtete der Herr seinen Geist.
James erwachte dann wie aus tiefem Schlaf und kannte seinen Namen nicht mehr, ebenso wenig seine Umgebung oder die süße Gemahlin. Er sah sich barfuß, im weißen Gewand eines Erzbischofs,oder von Pfeilen durchbohrt, bereit, den Märtyrertod zu erleiden. Wöchentlich ließ er sich neue geistliche Berater kommen, um das Unsägliche zu beichten und Bußübungen zu ersinnen, die Gottes Zorn besänftigen mochten. Um sich zu martern, nahm er es auf sich, jene eklen Damen in allen leiblichen Einzelheiten zu schildern und auch nicht auszusparen, in welcher Lasterhaftigkeit er sich mit ihnen gewälzt, wie er in seiner Verderbtheit des Herrn gespottet hatte. Die ersehnte Absolution aber blieb ihm versagt.
Am Ende dieser Sitzungen war der König gänzlich erschöpft und froh, auf dem Tagesbett in seinem mild beheizten, sanft erleuchteten Salon Erholung zu finden und in Schriften frommer Männer zu lesen. Er besaß keinen großen Hofstaat mehr, nur eine Handvoll Getreuer, die der Heimat um seinetwillen entsagt hatten. Niemand wusste besser als jene, was ihr König litt und wie dringlich er der Ruhe bedurfte. Dennoch hatte James ihnen eingeschärft, ihn keinesfalls zu schonen, wenn von befugter Seite nach ihm gerufen wurde. Seinem widrigen Los zum Trotz blieb er König und hatte den Untertanen gegenüber Pflichten.
Wobei man darauf zu achten hatte, dass Untertanen mit dem kleinen Finger vorliebnahmen und sich nicht wie der Teufel ganzer Hände bemächtigten. James hatte entsprechende Vorsicht walten lassen, seit er sich die Last der drei Kronen aufgeladen hatte, die des trauten, teuren England, die des unergiebigen Irland und die Krone Schottlands, das sich nicht zähmen, sondern nur mit der Hand am Peitschenstiel reiten ließ. Er hatte in jenem Volk, das sich heidnischer Bräuche befleißigte und mit Kuchen sprach, stets eisern durchgegriffen, und sein Staatssekretär, der Graf von Melfort, war ihm dabei von unschätzbarer Hilfe gewesen. Keiner wusste besser als Melfort, wie sein König es hasste, wenn man ihn an die eigene Abstammung aus schottischem Blut gemahnte. Welch teuflischer Unfug! Der Großvater, auf den die tückischen Zungen anspielten, war der Sohn eines goldblonden Engländers und einer frommen halben Französin gewesen.
Der Güte Gottes war es zu danken, dass ihn der treue Melfortnicht im Stich gelassen, sondern in sein Exil begleitet hatte, und der Nämliche war es, der jetzt durch seinen Pagen um Einlass bitten ließ. James, den die wieder einmal vergebliche Bußübung und die Furcht vor den Träumen der Nacht quälten, hätte sich lieber weiter seinem Dilemma gewidmet, wusste aber, dass es nicht um Belanglosigkeiten ging, wenn Melfort nach ihm verlangte. Daher gebührte ihm Gehör.
Der König hatte sich bereits in den Polstern aufgesetzt, als der Graf den Raum betrat. Ein Glücksfall von einem Berater war dieser Melfort, getreu, verschwiegen, dazu ein untadeliger Katholik. War er nicht auch ein Mann, der die Schwächen des Fleisches kennen musste? Jäh kam dem König ein Einfall: Bisher hatte er einzig Geistliche um Beistand gebeten – Männer also, die solcher Versuchung gar nicht
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