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Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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wie er Sarah gesagt hatte,würden sie nicht in Glencoe bleiben dürfen. Unter dem Pfeifen des Windes, das sich mit dem Pfeifen in seinem Ohr mischte, lauschte Sandy Og in sich hinein. Er wollte den Schmerz kennen, der ihm blühte, und ebenso die Angst. Er fand beide erstaunlich erträglich, ließ das Gelausche bleiben und ging ins Haus zu seiner Frau.
    Der Duft, der Dampf und das Löffelgeklapper in seiner Stube machten ihm Hunger. An Sarah war das Kind schon sichtbar, wie es die anderen Male gewesen war: Ihre gestochenen Linien erschienen weicher, der Knoten des Haars hing im Nacken so schwer, dass sich fortwährend Strähnen befreiten, und ihr Gesicht war ein schimmerndes Geheimnis. Ihr zuzusehen, wie sie sich hierhin und dorthin neigte, um den Kindern Schüsseln hinzustellen, war eine solche Freude, dass ein Mann sein Tagwerk vergessen konnte, aber gleichzeitig stolz sein musste, eins für sie zu verrichten. »Ich geh«, sagte er rau zu ihr. »Es ist Zeit.«
    Sie machte nicht viel Aufhebens, sondern fuhr fort, den Kindern Brot zu schneiden, und fragte ihn, ob er noch Frühstück wolle. Er verneinte, weil sich um seinen Magen jetzt doch etwas ballte, küsste sehr hastig alle vier Schöpfe und ging. Als er aus dem Haus trat, begann es von Neuem zu schneien, nach drei Schritten schon so dicht, dass er nicht mehr als die Wolke seines Atems vor Augen sah. Ihren Ruf, den er früher selbst durch Stürme gehört hätte, vernahm er jetzt erst, als sie fast bei ihm war. Sarah rannte in ihren dünnen Schuhen auf dem freigeschaufelten Weg, der im Nu wieder zuschneite. Sandy Og öffnete die Arme, fing sie und hob sie so hoch, dass ihre Füße dem Schnee entkamen. »Bist du von Sinnen, unglaubliches Mädchen?«
    Sie fischte in ihrem Rücken nach seiner Hand und drückte etwas hinein: drei Heidezweige, die schon bröckelten und von ihrem Lager stammen mussten. »Fraoch Eilean.« Dann krallte sie sich an ihm fest, presste ihren Mund auf seinen und küsste ihn, als wolle sie im Schnee mit ihm schlafen. Außer Atem undzerzaust gab sie ihn frei. »Der ist für damals, als du nach Killiecrankie gingst«, sagte sie und küsste ihn noch einmal, so innig wie zuvor. »Und der ist für heute. Auf Wiedersehen, Sandy Og, mein Schatz, mein Reichtum.«
    »Auf Wiedersehen, Sarah, Liebe meines Lebens.«
    Sie drückten einer den andern, so fest sie konnten.
    »Ich trag dich ins Haus.«
    »Nein, das tust du nicht. Ich bin ja keine Wurst, und von dem bisschen Sturm platzt mir die Pelle nicht.« Sie klopfte ihm auf die Wange, zappelte sich frei und flitzte wie ein kleines Mädchen durch den wirbelnden Schnee zurück.
    Sandy Og steckte sich einen der Zweige ans Bonnet und behielt die übrigen in der Faust, dass sie ihm unterwegs zerkrümelten. So ging er nach Carnoch.
    Kein Bediensteter, sondern seine Mutter riss die Tür auf, griff ihn grob am Arm und versuchte, ihn ins Haus zu zerren. Er streifte ihre Hand ab, drängte sich an ihr vorbei und blieb im Windfang stehen. Kurz musste er sich vornüberbeugen und die Hände auf die Knie stützen, um durchzuatmen.
    Seine Mutter schloss vor dem Sturm die Tür. »Ach, Sandy Og«, sagte sie. »Ach, ach, ach.«
    Gern hätte Sandy Og sich wie ein Hund die Nässe aus dem Pelz geschüttelt. Unschlüssig blieben sie voreinander stehen, bis sie sich einen Ruck gab und die erschlaffte Stimme wieder straffte. »Hättest du nicht früher kommen können? War dir dein Vater in zwei Monaten keinen Besuch wert? Muss die, die dich erzogen hat, sich schämen?«
    »Nein«, sagte Sandy Og. »Für mich muss sich niemand schämen, nur ich, und jeder andere, wenn er will, für sich.« Ihm war zum Grinsen und ein bisschen danach, sich zu ducken. Er fand sich verrückt und im Kopf zu leicht.
    Seine Mutter hob langsam die Hand, formte sie zur Schale und strich ihm Wasser von der Wange. »Ceana?«
    »Ist bei Ailig von Inverrigan. Sie wird noch viel Zeit brauchen. Und vielleicht ein paar Antworten.«
    »Ich habe deinem Vater gesagt, er soll sie dem Calum zurückbringen.« Sie sprach so leise, dass er Mühe hatte, sie zu verstehen. »Damit wir unsern Frieden haben, und weil der doch gedroht hat, meinen Kindern was anzutun. Aber dein Vater hatte recht. Wer sind wir, dass wir die Gebote, die uns bis hierhergebracht haben, in Gut und Falsch aussortieren?«
    Sandy Og überlegte. Dann nahm er sie vorsichtig bei den Armen, wunderte sich, wie tief er sich zu ihr hinunterbeugen musste, und küsste sie auf die Stirn. »Eichhörnchen,

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