Glencoe - Historischer Roman
sein Mund zog sich zusammen, als habe jemand ein Licht ausgeblasen. »Du bist doch gekommen, um mir zu sagen, was du von mir hältst, oder nicht? Dass ich dein Vater bin und du mir dem Gesetz deines Volkes nach Respekt schuldest, kratzt dich nicht. Also spar dir das Zieren und spuck’s aus, zeig dem alten Narren, was für ein gewaltiger Kerl in dir steckt.«
Sandy Og hatte geglaubt, jede Schliche des Mannes zu kennen, Peitsche und Zuckerbrot, und sich um beides nicht mehr zu scheren, aber das war neu. Sandy Og fror in den nassen Kleidern, er wollte aus diesem Haus fort und sich auf den Weg machen, denn bei dem Gedanken an die Strecke, die vor ihm lag, war ihm mit einem Mal elend zumute. Er war des ewigen Schlagabtauschs müde; so verbissen hatte er um einen Funken Erfolg gerungen und dabei übersehen, dass es für ihn nichts zu gewinnen gab. »In mir steckt, wie du weißt, kein gewaltiger Kerl«, sagte er. »Also brauche ich keine Zeit zu vergeuden, um dir einen vorzukaspern. Ich bin wegen des Eides hier. Was du von mir hältst und was ich von dir halte, können wir diesmal außen vor lassen.«
»Sandy Og«, sagte sein Vater, »geh näher zum Feuer.«
»Warum?«
»Weil du frierst. Und dann will ich’s wissen.«
»Was?«
»Was du von mir hältst.«
Senk nicht den Kopf. Mach die Schultern steif, damit die nicht zucken. »Dazu hab ich nichts zu sagen. Du bist mein Vater, der MacIain von Glencoe.«
»Und sonst nichts? Da erlaub ich dem Bengel, sich endlich Luft zu machen, und dann bin ich ihm nicht einmal seinen kostbaren Zorn wert?«
Ehe er sich zügeln konnte, sprang Sandy Og vor. Der MacIain stand auf. Den Schreibtisch zwischen sich, standen sie einander gegenüber, auf Augenhöhe, sodass ihr Atem sich traf. Sandy Og ballte die Fäuste. Die Muskeln seiner Arme spannten sich bis in die Schultern.
»Na komm«, sagte sein Vater, »mach dir Luft. Du hättest es doch schon einmal beinahe getan.«
In seiner Not griff Sandy Og blindlings nach einem Gegenstand auf dem Tisch, riss eine Kerze aus dem Halter, schloss beide Hände um das Wachs. Als er zudrückte und sogleich fühlte, wie das weiche Material nachgab, war es auf einenSchlag vorbei. Er öffnete die Finger, strich die Kerze glatt, so gut es ging, und stellte sie wieder in den Halter. Dann drehte er sich um und ging drei Schritte zurück, nahe ans Feuer, das ihn mit wohliger Wärme umfing. »Schluss jetzt damit. Wir sind doch keine Kinder.«
Der Blick seines Vaters folgte ihm. Leise schnalzte er mit der Zunge und zwirbelte sein Schnurrbartende, ehe er sich wieder setzte. »Gut denn. Sprich über den Eid. Deshalb bist du ja gekommen.«
»Du weißt, dass wir keine Wahl haben«, sagte Sandy Og. »Dass einer von uns den Eid schwören muss.«
»Weiß ich das?«
Sandy Og ging darauf nicht ein. »Uns bleiben nur zwei Tage, und das Wetter wird schlechter. Wenn man wie der Teufel reitet, ist es nach Inveraray gerade noch zu schaffen.«
»Und wer sagt dir, dass ich nach Inveraray gehe?«
»Niemand. Du gehst nicht. Aber ich. Donald von Sleat hätte, wenn die Erlaubnis von König Jamie eingetroffen wäre, den Eid für seinen todkranken Vater geschworen. Ich schwöre ihn für John und dich, ich sage, ihr seid beide unabkömmlich. Es macht keinen Unterschied, solange nur unser Name auf die Liste der Clans gelangt, die unter dem Schutz von William und Mary stehen.«
Jetzt wagte er nicht länger, seinen Vater anzusehen. Ohne nach Worten zu suchen, betete er. Zugleich fragte er sich verzweifelt nach Wegen, die ihm blieben, wenn der Vater sich verweigerte.
»Aber die Erlaubnis von König Jamie ist doch nicht eingetroffen«, hörte er dessen Stimme.
Sandy Og wandte sich ab und sah ins Feuer. »Der Eid muss trotzdem geschworen sein. Wenn alles sich beruhigt hat, wenn die Truppen abgezogen sind und keiner mehr von Eiden spricht, kannst du mich aus dem Tal jagen. Meine Familie nehme ich mit, auch Angus, wenn er will, und einen Teil meines Viehs.«Die Flammen züngelten hoch, brachten sein Gesicht zum Glühen und trieben ihm Tränen in die Augen. Dass ihm die Sicht verschwamm, kam ihm zupass.
Er fuhr herum, als eine Hand ihn auf den Rücken tappte. Sein Gehör hatte ihn wiederum nicht gewarnt. Sein Vater, dessen Gesicht so nah am Feuer grau wirkte, stemmte die Hände in die Hüften und warf sich in die Brust. »Deshalb bist du also gekommen, ja? Um mir deine Ehre anzubieten. Sag mal, was bildest du Holzkopf dir eigentlich ein?«
»Donald von
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