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Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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schlohweißes Haar. Meinem Volk will ich nichts Böses, ich will niemandem Böses, nur die Stille in meinem Meggernie wollte ich. Die Stille, wenn niemand mehr befiehlt und niemand mehr etwas fordert, das ein Mann, der die Stille liebt, nicht leisten kann.
    Delenda est Carthago.
    Das klang so schön. Karthago, was für ein herrlicher Name, viel schöner als Lochaber. In Lochaber war doch für die Herren in London nichts zu holen, und im Frühling ginge es wieder in die Schlacht nach Flandern – wer wollte da Krieg im Hochland, der außer Kosten nichts einbrachte? Das ganze Heer klagte ja, dass der Sold nicht pünktlich entrichtet wurde, nur ihm, Robert, hatte Argyll seinen Teil im Voraus gezahlt. Judaslohn, der immerhin ermöglichte, dass der Branntwein floss. Der Tacksman, von dem er den kaufte, zog aus der Not des Lairds Nutzen und schlug grinsend einen Batzen auf den Preis. Fragte er sich, fragte sich irgendwer: »Was denkt mein Laird? Hat er Schmerzen, die ihm den Kopf sprengen? Kann er des Nachts nie mehr schlafen, weil er blutende Augen vor sich sieht und Schnee, der auf zerfleischte Glieder fällt?«
    Oder begnügten sich alle, auf ihn mit dem Finger zu zeigen?
    »Der ist der Laird, der Glenlyon verspielt und versoffen hat.«
    »Der ist der Laird, der sein Weib zum zuckenden Krüppel prügelt.«
    »Der ist der Laird, der seine Ehre verscherbelt, der seinen Gegner fesselt, ehe er ihn schlägt, und kriecht, statt zu laufen.«
    »Das ist der Mörder.«
    »Der hat’s getan.«
    Würde sich jemals irgendjemand die Mühe machen zu fragen: »Was hat Robert Glenlyon gedacht?«
    Als er an jenen unbekannten Menschen dachte, dem er die Liebesmühe wert war, musste er weinen, bekam beim Trinken keine Luft mehr und erbrach unter schmerzhaftem Keuchen. Gänzlich ausgelaugt blieb er am Boden liegen. Lass sie mich nicht holen, Helen, und wirf den Befehl weg. Dass man das Rannoch Moor abriegeln kann, habe ich nicht gesagt, und auch nicht, dass des Teufels Stiegenhaus nicht begehbar ist. Ich habe gar nichts gesagt. Ich bin ein kranker Mann, der nichts tut als das, was man ihm sagt. Er schloss die Augen. Sah wieder die Bilder des Schreckens. Gott im Himmel, lass den MacIain von Glencoe den Eid schwören! Gott im Himmel, erspar mir diesen Kelch!
    Der Befehl traf in der Woche vor Weihnachten ein, als das Tal unter der Schneelast schwieg und nur die Stürme brüllten. Helen nahm ihn dem Boten ab und legte ihn ihrem Mann aufs Schreibpult. Er harre dort seiner, mahnte sie ihn, bis er das Siegel erbrach und sein Urteil las: Am 29. Dezember habe sich Captain Robert Campbell von Glenlyon auf Ford William einzufinden und dort auf weitere Weisungen zu warten. Auf Anordnung von Staatssekretär Dalrymple würden vierhundert Mann aus Argylls Regiment unter dem verdienten Major Duncanson auf das Fort verlegt, darunter sechzig Grenadiere unter Captain Thomas Drummond, die in dessen Abwesenheit dem Befehl von Captain Campbell unterstellt würden. Major Duncanson werde mit Leutnant-Colonel Hamilton in Gespräche über das genaue Vorgehen eintreten.
    Vom alten Hill war keine Rede mehr, der war eine Gliederpuppe wie Rob. Auch von einer Hoffnung auf den Eid war nicht länger die Rede. Das Wetter, so schwatzte das Gesinde, das Zeit hatte, in den Himmel zu starren, sollte in den nächsten Tagen noch schlechter werden.

    Am 12. Dezember 1691 brach in Saint-Germain-en-Laye bei Paris ein Reisender in Richtung London auf, obwohl ihm allseits angeraten wurde, wegen der verheerenden Witterung von der Überfahrt abzusehen. Der Reisende war Duncan Menzies, ein Major der Truppen von König James. Er ließ sich nicht beirren, sondern machte sich ohne Verzug auf den Weg. Seine Verzweiflung verlieh ihm Kraft. Er war der Läufer von Marathon, getrieben von nur einem Gedanken: Er musste sein Ziel erreichen, ehe es zu spät war, an ihm hing alles, mehr, als er zu erwägen wagte.
    Major Menzies benötigte, obgleich er sich in keiner Weise schonte, für die Reise nach London fünf Tage. Bei seiner Ankunft wurde er von Soldaten der Regierung festgehalten und erst auf freien Fuß gesetzt, nachdem er selbst den Treueeid auf König William und Königin Mary abgelegt hatte. In noch größerer Hast reiste er nach Edinburgh weiter, wo er vier weitere Tage später, am Morgen des 21. Dezember, eintraf. Er begab sich schnurstracks zum Haus von Colin Campbell von Carwhin, dem Rechtsbeistand des Grafen von Breadalbane, der zugesagt hatte, für die Weiterleitung der

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