Glencoe - Historischer Roman
Sleat …«
»Verfluchter Teufelskuss! Was juckt mich Donald von Sleat?«, schrie der MacIain. »Und nicht mal der dürfte ohne Erlaubnis von König Jamie nach Inveraray laufen.«
»Das kann er ja nicht. Sleat hat keinen anderen Erben.«
»So so, aber ich hab einen. Hab ich dich richtig verstanden?«
Sandy Og fühlte sich an den Schultern gepackt und geschüttelt, das Pfeifen in seinem Ohr schrillte, und in seinem Kopf stürzten Teile umeinander, aber die Hände seines Vaters, die ihm immer riesig vorgekommen waren, wie Pranken, wie Tatzen, waren nunmehr alte Hände, die er greifen und von sich herunterstreifen konnte. Ehe er aber dazu kam, ließ der Vater ihn los. »Sleat hat keinen anderen Erben, aber ich hab einen, und deshalb kann ich dich entbehren, ja? Beim barmherzigen Herrgott! Wie kann ein Sohn, der in meinem Bett gezeugt wurde, nur ein so blöder Kindskopf sein?«
Er packte ihn wieder an den Schultern und schüttelte ihn, packte ihn an den Ohren und rüttelte seinen Kopf, und dann ließ er alles los und brüllte ihm ins Gesicht: »Weißt du, wie viele Fässer Wein ich angestochen habe, als deine Mutter dich geboren hat? Ich hab dir meinen Namen gegeben, Alasdair Aosda und Alasdair Og, weißt du, dass ich auf den Pap von Glencoe gestiegen bin und deinen und meinen Namen durch das ganze Tal gebrüllt hab?«
Er schüttelte ihn noch einmal, schüttelte sich mit ihm soheftig, als ließe sich Unausweichliches abwerfen, wenn man nur genug Körperkraft aufwandte. »Ich hab Dinge getan, für die meine Kinder mich hassen, weil ich zuerst der MacIain war und dann Vater, weil ich’s von meinem Vater so gelernt hab: ›Dem Gesetz darf sich keiner entziehen, oder das Gesetz zerbricht, und wie soll unser Leben in dieser Scharte von Tal dann bestehen?‹ Hasst mich dafür, ihr mit eurer neuen Zeit, die uns zurücklässt, treibt, was ihr wollt, alle vier! Dass aber du Wahnsinniger zu glauben wagst, du wärst mir nicht lieb, haut all meinen Fässern den Boden aus. Ich würde dir mächtig gern dafür den Hintern versohlen, doch wenn ich mir dein Paar Schultern betrachte, wird mir bange, ich flöge gegen die Wand.«
Sein Vater legte die Arme um Sandy Og und zog ihn an sich, strich ihm den Rücken hinunter, Wirbel für Wirbel. »Mein Augapfel. Du blöder, vernagelter Kerl!«
Sandy Ogs Arme waren schwer. Es dauerte lange, bis er sie heben und um seinen Vater legen konnte. Kurz zögerte er, weil ihm einfiel, dass er den alten Mann nass machen würde, dann allerdings bemerkte er, dass es für solche Bedenken zu spät war. Der Vater erschien ihm, jetzt da er ihn hielt, weder so groß noch so massig, wie er ihn immer gesehen hatte, sondern kleiner und leichter als er selbst.
»Vater?«
»Was ist?«
»Der Eid.«
»Ja, ja, der Eid! Immer wieder der Eid! Wenn mein Sohn sich was in seinen Schädel gesetzt hat, gibt er keinen Atemzug Ruhe, bis er’s bekommt.«
»Wir haben keine Zeit mehr.«
»Die Truppen aus Frankreich kommen nicht, was?«
»Nein.«
»Und das Geld vom Papst?«
»Auch nicht.«
»Jetzt hör mir mal zu«, sagte sein Vater, aber er rüttelte nichtweiter an Sandy Og, sondern behielt ihn in den Armen, ließ den Kopf auf seiner Schulter liegen und liebkoste ihm den Rücken. »Das, was du mir schenken wolltest, nehm ich nicht an. Aber dass du weißt, wie schwer das für mich ist, dem Willie wie eine verdroschene Töle den Hintern zu küssen, nehm ich an. Es ist nicht ganz so arg, wie es sein könnte – der Bote von Lochiel war in der Frühe hier und hat die Erlaubnis des Königs gebracht. Und jetzt zürn mir nicht, weil ich’s dir erst jetzt sage. Du kennst doch deinen Vater, oder nicht?«
»Ja, den König der Würfelspieler. Der Eid muss trotzdem geschworen sein.«
»Nicht von dir, Sandy Og. Derjenige, der für dieses Tal die Kröten schluckt, bin immer noch ich.« Der MacIain hob den Kopf und strich sich das wilde Haar über die Schulter zurück. »Du bist überzeugt, ich mache nur, was mir passt, hab ich recht? Glaubst du, es hat mir nicht wehgetan, meinem Bruder das Kind aus dem Haus zu schleppen? Ich hatte nach Calum nie wieder einen Freund, nur Lochiel, dem ich nicht das Wasser reichen kann. Glaubst du, es hat mir nicht wehgetan, meine Tochter, meine Erstgeborene, fortzujagen, dass sie mir nicht mehr vor Augen kommt? Schade, dass du vorhin nicht gefragt hast, dass du Alleswisser dir dein Urteil längst gezimmert hattest.«
»Ja«, sagte Sandy Og. »Es tut mir leid.«
»Ist schon gut. Mir tut ja
Weitere Kostenlose Bücher