Glencoe - Historischer Roman
sie scherten sich nicht um die spähenden Kinder. Im Näherkommen sah Sarah, wie sie froren, in den dünnen Röcken zitterten, mit gesprungenen Fingern das Metall der Musketen umklammerten und ihre Atemwolken in die klare Luft bliesen.
Lediglich drei Offiziere saßen zu Pferd. Einer von ihnen, der hochgewachsene Mann an der Spitze, trug unter seinem Bonnet lockiges, gepflegtes Haar, das in der Wintersonne schimmerte wie blasses Gold. Haar, das zu jung und zu unversehrt für das verlebte Gesicht erschien, das es umrahmte. Der Onkel, Rob Glenlyon. Sarahs Schultern und Rücken entspannten sich. Zwar machte es sie reichlich verlegen, ihm nach allem wieder zu begegnen, doch zumindest war er ein Verwandter, der ohne üble Absicht kam.
Der Onkel hob die Hand, und das Getrommel setzte aus. John zügelte sein Pferd und hieß seine Männer, sich im Halbkreis vor den Soldaten aufzustellen. Im selben Augenblick spürte Sarah, wie sich Sandy Ogs Körper versteifte: die Schenkel, die sich um ihre Hüften schlossen, Bauch und Brust, gegen die sie ihren Rücken lehnte. Sie drehte sich um. Seine Kiefer spannten die Haut, die Lippen schlossen sich fest.
Jetzt brachen auch die Jungen aus den Sträuchern, umringten die Soldaten in gebührendem Abstand und hielten, was immer sie an Waffen bei sich trugen, Stöcke und Ruten, gezückt wie die Männer ihre Schwerter. »Seid mir gegrüßt, John!«, rief der Onkel auf Englisch. »Ich hoffe, der Vater ist wohl?«
Er gab seinem Nebenmann ein Zeichen, woraufhin der seinen Rappen ein paar Schritte vorantrieb und John in behandschuhter Hand eine Rolle Papier entgegenhielt. John machte keine Anstalten, näher heranzureiten, sodass er die Dokumente hätte greifen können. »Kommt Ihr als Freunde nach Glencoe?«, rief er auf Gälisch an dem Offizier vorbei Robert Glenlyon zu. »Oder als Feinde?«
»Als Freunde«, antwortete der Mann, der ihm noch immer die Papiere hinhielt, hastig auf Englisch. »Im Auftrag unseres befehlshabenden Offiziers und des Gouverneurs von Fort William erbitten wir für die Kompanie zu Fuß unter Captain Campbell und die Kompanie der Grenadiere unter Captain Drummond vorübergehend Quartier in Glencoe.«
Auch wenn sie Mühe hatte, mit einem Arm Jean und die Pistolen festzuhalten, schob Sarah ihre Hand auf Sandy Ogs Schenkel und strich den steinharten Muskel hinunter. Es war lästig, mitten im Winter zusätzliche Mäuler stopfen zu müssen, und der Gedanke, dass der Onkel in die Nussschalenwelt ihres Haushalts dringen könnte, war ihr zuwider, aber die Männer würden kaum länger als ein paar Tage bleiben. Zudem war es eher beruhigend als bedrohlich, dass die Garnison Soldaten in Glencoe einquartierte, zeigte es doch, dass man den kleinen Clan nicht länger als verfeindet betrachtete.
Sandy Og griff Sarahs Hand und drückte sie. Zu schnell und zu fest, fand Sarah. Dann sprang er vom Pferd und lief so schnell, dass Schnee aufspritzte, nach vorn, zu John.
Inzwischen ritt der Onkel an dem Offizier vorbei und schickte den Söhnen des MacIain ein Lächeln. Ich muss ihm für den Brief danken, durchfuhr es Sarah. Und ihm versichern, dass ich seine Hilfe nicht benötige, dass mein Mann aufs Beste für mich sorgt. Sie sah, wie Sandy Og vor dem Onkel stand, stocksteif, wie aufgepflanzt, und musste auf einmal lachen, weil sie an ihre Base Fiona dachte, die diesen Onkel immer betrachtet hatte, als hätte sie ihn gern verspeist. Ihr selbst war er nie recht geheuer gewesen, nicht erst, seit er sie geschlagen hatte, sondern von Anfang an, aber für andere Mädchen war er der schönste Mann des Tales gewesen. In gewisser Weise war Rob vielleicht noch immer schön, das Haar kaum ergraut und der rote Rock wie eine Haut auf den Leib geschneidert.
Sandy Og war nicht besorgt, er war eifersüchtig! Als sich Köpfe nach ihr drehten, weil sie lachen musste, schlug sichSarah die Hand vor den Mund. Aber das Lachen perlte weiter. Das macht mir Spaß, mein Liebling! Jeder Schmerz, den du leidest, tut mir weh, doch dieser sei dir gegönnt.
»Ich bedaure, dergestalt bei Euch einzufallen«, sagte der Onkel auf Gälisch, »und Euch die Unterbringung meiner Männer aufzubürden. Leider ist das Fort vollkommen überlaufen, dort fände keine verhungerte Ratte mehr Platz. Mehrere Kompanien sind nach Lochaber verlegt worden, um Vergeltungsmaßnahmen gegen die Clans durchzuführen, die den Eid verweigern. Wir bleiben nur, bis Captain Drummond mit unserem Marschbefehl eintrifft, den das unsägliche
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