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Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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vergönnt, etwas so Tapferes und zugleich so Nützliches zu tun. Die meisten Männer taten entweder das eine oder das andere.
    Die Leute würden denken, er habe seinen Vater genötigt, den Eid zu schwören; sie würden es sich zurechtdrehen, wie sie es am besten ertragen konnten, und mit der Zeit würden sie es vergessen. Er war noch immer ihr Held von Cromdale, er würde Schmähungen einzustecken haben, aber keine Steinwürfe. Auch Duncan, der an jenem Abend weinte, würde vergessen, und irgendwann, so hoffte Sarah, sogar der arme John.
    Seit jenem Tag war ein Monat vergangen, und inzwischen klopften bereits wieder Nachbarn an die Tür, die einen Krug Milch borgen oder eine Kanne Wein teilen wollten, Witwen, die einen Mann benötigten, um Balken vors Fenster zu nageln, Horden von Jungen, die mit Duncan und Angus durchs Gehölz streiften, und letzthin mitunter ein Mädchen namens Siusa, eine der Töchter von Achnacone, die offenbar bemerkt hatte, dass Angus sich demnächst im Türstock würde ducken müssen und ein eigenes Bartmesser brauchte.
    Weil das Wetter eine Zeit lang milder war, sprach Sandy Og viel davon, was er im Frühling tun wollte: am Haus einen Anbau beginnen, damit sie alle mehr Platz hatten und – davon schwieg er – eine leere Kammer, falls Ceana wiederkam; in Glengarry ein Pferd kaufen; Gormal Hühner und noch eine Ziege bringen. Außerdem musste eine junge Frau gefunden werden, die sich für den Clan zur Hebamme ausbilden ließ, und einer von Ranalds Söhnen würde zum Barden des MacIain ernannt werden, sodass Matheson, der Barde von Seaforth, der derzeit auf Carnoch logierte, heim zu seinem Herrn reisenkonnte. Sarah ihrerseits wollte Lady Morag bitten, sie in die Kunst des Bannockbackens einzuweisen.
    Glück war auch, über die Zukunft nachzudenken und zu schwatzen und nichts davon für sonderlich wichtig zu halten.
    Ende Januar wurde das Wetter wieder schlechter, und Sarah stritt sich mit Sandy Og darum, wann die Jungen im Haus zu bleiben hatten. Meist überging sie sein Verbot und ließ die beiden laufen, sobald er zur Jagd oder anderweitig beschäftigt war. »In meinem eigenen Haus haben nicht einmal die Mäuse vor mir Angst!«, schimpfte er.
    »Dann musst du uns wohl welche machen«, entgegnete Sarah, schmiegte sich in seinen Arm und kämmte mit den Fingern durch sein Haar.
    In dieser Nacht riss Geschrei sie alle aus dem Schlaf. Es war kein menschliches Geschrei. Sandy Og lief in den Sturm hinaus, um nachzusehen, Duncan wetterte, weil er nicht mitdurfte, und Sarah presste Jean zu fest an sich und redete auf sie ein, es sei kein Grund zur Furcht, wenn ein Fuchs in einen Stall eingefallen war oder ein paar Wildkatzen rauften. Dabei fürchtete Jean sich nicht im Geringsten.
    Es dauerte nicht lange, bis Sandy Og zurückkam. In Carnoch hatten ein paar Rinder eine Latte aus der Wand ihres Pferchs gebrochen, waren das verschneite Flussufer hinunter geflüchtet und hatten dort jämmerlich gebrüllt. »Mehr Lärm als die Rindviecher haben allerdings die Frauen angezettelt, die glaubten, der Gehörnte sei aus der Hölle niedergefahren, um uns zu vertilgen. Eine wollte an den Wasserfällen noch die Bean Nighe gesehen haben, die unter Weinen das Blut aus einem Leichentuch wusch.«
    »Hör auf«, sagte Sarah, der ein Schrecken in den Gliedern saß. »Komm wieder zu Bett.«
    Angus und Duncan verzogen sich in die hintere Kammer, und Jean fiel bald wieder in Schlaf; nur Sarah kam nicht zur Ruhe. Sie drängte sich an ihren Mann, der das warmblütigsteGeschöpf war, das sie kannte, der aus der größten Kälte kommen konnte und sogleich wieder glühte. Er schien nicht im Mindesten beunruhigt zu sein, sondern wie ein Mann, der geborgen, sehr satt und sehr müde war, gerade wach genug, um sich zu fragen, ob ihm noch ein wenig Liebe schmeckte. »Sandy Og? Warum haben die Rinder das gemacht?«
    »Rinder, Liebste? Warum Rinder etwas machen? Ich hab mein ganzes Leben mit den schwarzen Gehörnten verbracht, aber mich nie nach deren Gründen gefragt.«
    Sie sah, dass er sich anstrengte, wach zu bleiben, dass ihm aber die Augen zufielen, küsste die Grube über seinem Schlüsselbein und sagte: »Schlaf.«
    »Bist du nicht böse?«
    »Du darfst es morgen gutmachen.«
    »Sarah«, murmelte er, »wenn du willst, lösch die Kerze. Ich brauch sie nicht mehr.«
    Sarah ließ die Kerze brennen. Sie sah ihm gern beim Schlafen zu und dachte gern daran, dass einer reich sein musste, bei dem die ganze Nacht lang eine Kerze

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