Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
Vom Netzwerk:
brannte.
    Am nächsten Tag ging Sandy Og früh aus dem Haus, um ein paar Schafe einzufangen. Vor Mittag stürmte er in einem Wirbel von Nässe ins Haus. »Wo sind Duncan und Angus?«
    »Was weiß ich, irgendwo im Gehölz mit dem Rest der Horde.«
    »Herrgott, Sarah!«, schrie er sie an. »Du sollst auf sie aufpassen, nicht sie laufen lassen, wohin es ihnen einfällt.«
    »Das ist aber das, was Jungen tun«, erwiderte Sarah ruhig, als hätten sie die Rollen der letzten Nacht getauscht. »Dein Sohn nicht weniger als alle übrigen. Müsstest du nicht froh für ihn sein, weil er dazugehört?«
    Als er einen Schritt auf sie zukam, sah sie, dass sein Gesicht nicht vom Wind rot war, und ihre Hände wurden kalt. Mühsam zwang sie sich einen Scherz ab: »Dafür, dass du mich anschreist,müsstest du mindestens dem großen Mann von Ballachullish begegnet sein.«
    Sandy Og lachte nicht. »Ja«, sagte er und riss das Zaumzeug vom Haken.
    Sie zog ihn an der Schulter herum. »Wohin reitest du? Was ist mit den Kindern?«
    »Nichts, hoffe ich.« Seine Lippen waren schmal. »Die Wachen haben bei Ballachullish einen Tross Rotröcke gesichtet.«
    »Einen Tross?«
    »An die hundertzwanzig Mann. Glaubst du, Angus und Duncan sind in die Richtung gelaufen?« Er erwartete keine Antwort, sondern war schon an der Tür. Dann kehrte er noch einmal um, nahm seine beiden Pistolen aus der Truhe und hielt sie ihr hin. »Vergrab die. Sag auch den anderen Frauen, sie sollen die Waffen ihrer Männer vergraben.«
    »Warum?«
    »Nur aus Vorsicht. Gibt ja keinen Grund, uns zu entwaffnen, trotzdem ist mir wohler, wenn ich die zwei in der Erde weiß.« Wiederum hielt er den Riegel in der Hand. »Sarah?«
    »Ja?«
    »Verzeih. Ich hab dich nicht anschreien wollen.« Die Tür flog auf, der Wind wirbelte Schnee in die Stube.
    »Nimm mich mit.« Sie griff sich ihr Tuch, fischte Jean vom Boden, wickelte die Pistolen mit dem Kind fest ein. »Da findet die keiner.« Jean begann zu zetern.
    »Lass das doch sein, ich mache mich ja lächerlich.«
    »Und das ist wichtig?«, fragte sie. »Wichtiger als meine Angst? Ich halt’s nicht aus, hier zu sitzen und zu warten.« Er war schon aus dem Haus, und sie folgte ihm mit dem quengelnden Kind auf dem Arm in den Unterstand des Ponys, das er in aller Hast aufzäumte.
    »Gibt ja keinen Grund zur Angst.«
    Ihre Blicke trafen sich. »Lüg mich nicht an, Sandy Og. Wenn du erst kläffst wie ein Köter, der einen Schuss gehört hat,und dann um Verzeihung bittest, als kämst du in diesem Leben zurück, ist etwas im Argen. Das zu sehen ist keine Zauberei.«
    Er sagte nichts mehr, sondern seufzte und hob sie samt Jean auf das ungesattelte Tier, sprang hinter ihr auf und trieb das Pony aus dem Stand in Trab. Jean hörte auf zu quengeln und jauchzte, weil sie sich so gern auf dem Pferderücken schaukeln ließ.
    Nur sacht und vereinzelt fiel Schnee. Aller Angst zum Trotz musste sich Sarah ein Lachen verbeißen, und binnen Kurzem lachte auch Sandy Og. »Wir sind ziemlich verrückt, weißt du das? Vermutlich wollen die Roten nicht einmal nach Glencoe.«
    Aber die Roten wollten nach Glencoe. Gleich hinter Carnoch kamen sie in Sicht, eine lange Reihe Männer in roten Röcken und grauen Hosen, geleitet von Trommlern und einem Pfeifer, die am Ufer des Lochs haltmachten und ihre Musketen präsentierten. Ebendort trafen Sarah und Sandy Og auf John, der den Goldfuchs ritt und eine Schar von zwanzig Männern führte.
    Seit dem Feuer am Coe hatte John kein Wort mit seinem Bruder gesprochen. Jetzt sagte er: »Bleib zurück, Sandy Og. Du hast deine Frau und dein Kind bei dir.«
    »Die Soldaten gehören zu Argylls Regiment«, erwiderte Sandy Og. »Sie kommen aus Fort William und haben Befehl, uns zu schützen, nicht uns anzugreifen. Sarah und ich sind auf der Suche nach unseren Jungen.«
    »Du reitest hinter mir«, bellte John. Er trug seinen Poinard blankgezogen auf dem Schenkel.
    Sandy Og lenkte das Pony hinter den Goldfuchs. Während sie im Schritt weiterritten, entdeckte Sarah die Rotte der Jungen, die sich keine zehn Schritte oberhalb des Uferwegs, den die Soldaten benutzt hatten, in die Ginstersträucher drückten. Eine höchst klägliche Deckung im Winter, und Sandy Og hatte recht, sich zu sorgen: War Gefahr im Verzug, so mochte den Übrigen Zeit zur Flucht bleiben, doch für Duncan mit seiner Krücke und für Angus, der den Freund nie allein ließ, wäre keinEntkommen möglich. Die Soldaten kamen offenbar wirklich in friedlicher Absicht, denn

Weitere Kostenlose Bücher