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Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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Hände vor den Mund, um ihren Schrei zu ersticken. Dann ertönte ein Donner, als zerplatze der Himmel, und der Blitz schlug ins Haus ein. Morag, wollte der MacIain sagen, aber die Flamme fuhr in seinen Rücken und aus seinem Mund kam ein Schwall, jedoch kein Wort. Er stürzte auf die Knie und vornüber auf sein Bett. Weit entfernt donnerte es noch einmal. Sein Kopf ließ sich nicht heben, hing wie vom Hals geknickt. Auch der Schmerz war weit von ihm entfernt.
    Ich muss Morag noch Gute Nacht wünschen, dachte der MacIain. Gute Nacht, liebste Morag. Die letzte Silbe zerbrach.

    Mein Messer ist stumpf und schleift sich nicht mehr. Das große Messer, das von uns keiner führen kann, hat alle anderen stumpf gemacht.
    Nachdem er sie auf das Bett gestoßen hatte, war Ceana dort lange liegen geblieben. Sie konnte kein Glied rühren und nichts denken, hörte aber alles, spürte unter sich die klammen Laken und schmeckte die Trockenheit auf ihrem Gaumen. Lange pfiff nur der Wind, dann füllte sich das Windpfeifen allmählich mit Geräuschen, die nicht zum Winter gehörten und nicht zum Tal, nicht zu der Welt, in der sie gelebt hatte.
    Was sie zu sich zurückbrachte, wusste sie nicht. Irgendwann tastete sie nach dem Papier, von dem sie sicher war, dass es noch neben ihr liegen musste. Sie brauchte es nur noch einmal durchzulesen, ehe die Kerze ausbrannte, dann würde sie entdecken, dass das Gelesene eine Ausgeburt ihres kranken Geistes war, dass sie sich geirrt hatte und eine klägliche Leserin war, zumal in dem schwachen Licht. Gewiss war der Rotrock unterwegs, um zu tun, was sie von ihm verlangt hatte. War er nicht Wachs in ihren Händen gewesen? Weil sie ihn geschickt hatte, ging er, um die Strafe zu vollziehen, die ihr Vater nicht hatte zu Ende bringen dürfen.
    Sie tastete weiter, bis ihr einfiel, dass der Mann das Papier mitgenommen hatte. Und auf einmal kehrte jedes Wort zurück, das darauf gestanden hatte. Es war kein Hirngespinst gewesen, sondern schwarze Tinte. Euch ist hiermit befohlen, über die Rebellen, die MacDonalds von Glencoe, herzufallen und einen jeden im Alter unter siebzig Jahren dem Schwert zu überantworten. Dazu überschlugen sich in ihrem Kopf die Worte, die er zu ihr gesagt hatte: Lies das und begreife, dass dafür nie wieder Zeit ist, und dann nimm deine Beine in die Hand und flieh, oder ich kann nichts mehr für dich tun.
    Er war tatsächlich gegangen, um zu töten – nicht allein Sandy Og, sondern jeden: John, Eiblin, die Kinder, auf die Eiblin so stolz war, die Witwe Roz und ihr Mädchen, Big Henderson, die unschöne Una, Sorcha mit der Zwillingsgeburt, Ranalds Söhne und Töchter und die alten Inverrigans. Die gestrenge Lady, die sie Mutter Morag hatte nennen sollen. Den MacIain. Glencoe.
    Ceana setzte sich auf. Im nächsten Augenblick zerbrach krachend und splitternd ein breites Stück Holz: die Vordertür. Ins Haus drangen gebrüllte Befehle, Getrampel, drei, vier Schläge, kreischendes Geschrei. Das dumpfe Hallen, mit dem etwas Schweres auf die Dielen prallte. Noch mehr Schreie. Ohne zu überlegen, blies Ceana den Kerzenstummel aus und rollte sichzusammen, umschlang ihre Knie und presste sie, so fest sie es vermochte, an die Brust.
    »Bindet sie aneinander, und schafft sie nach draußen. Der Captain will nicht, dass sie unter ihrem Dach krepieren!«
    »Gib mir den Kessel. Den bring ich meiner Alten.«
    »Hol ihn dir doch, wenn du den Mumm dazu hast!«
    Schreie, Schläge. Dann die Stimme des Captains, viel leiser als die seiner Leute: »Raus, raus, hier hinüber, wo’s dunkel ist.«
    Jetzt bringen sie die alte Ailig um, die mir Milch gerührt hat, und den alten Iain mit den Lachfalten, und dann kommen sie und töten mich. Sie kniff die Augen zu. Das Pfeifen des Windes war zum Heulen geschwollen, zerstochen von spitzen, vereinzelten Schreien. Ein Schuss hallte, dann ein zweiter. Seltsam, dass man einen Schuss sofort erkannte und dass ein Schuss, der einen Menschen tötete, nicht anders klang als der, bei dem ein Hase starb.
    So schlimm wird es nicht sein, wenn sie mich töten, denn es ist nicht mehr, wie Sandy Og gesagt hat: Das Leben nicht auszuhalten, mich nicht auszuhalten, ist jetzt dasselbe, wie tot sein zu wollen. Nur vor dem Sterben habe ich Angst, aber ich werde ganz klein hier liegen bleiben und nicht hinschauen, wenn das Sterben kommt.
    Auf einmal glaubte sie, in der Schwärze ein Klopfen zu vernehmen, einen Rhythmus – tapeditap, tapeditap  – wie von tanzenden Füßen. Sie

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