Glencoe - Historischer Roman
starke Beine besaß. Angus und Duncan liebten beide ihre schöne Tante Ceana, die zum Heiraten schon reichlich alt war, und da sie ja überhaupt nur einen von ihnen hätte heiraten können, hatten sie beschlossen, den Gedanken ans Heiraten ganz aufzugeben und für immer zusammenzubleiben. Duncan umschnürte sich die Wade mit Riemen, weil er auf sein gesundes Bein achtgeben musste, und griff nach der Krücke. Angus war ebenfalls fertig.
»Und was machen wir jetzt da draußen in dem Mistwetter?«
»Scht«, befahl ihm Duncan noch einmal. »Wir schleichen uns nach Carnoch, wo die ihre Hauptwache haben – Leutnant Lindsey steht da. Weißt du was? Der ist viel schneidiger als der Schwamm Glenlyon, der ist ja so alt wie der Großvater und sitzt und säuft den ganzen Tag.«
Angus seufzte noch einmal, ehe er ihm half, den Riegel zurückzuschieben, und Duncan konnte nur beten, dass niemand sie gehört hatte. Als die Tür knarrend aufsprang, sah er zunächst nur wirbelndes Weiß. Die Kälte war viel harscher, als man sie sich vorstellte, solange man in seinem Bett lag, und machte das Atmen schwierig. Während Angus ächzte, hatte sich Duncan jedoch rasch an die Verhältnisse gewöhnt. Das Schneetreiben schien die Nacht zu erhellen, auch brannten mehr Feuer als sonst, und in dem seltsamen silbernen Zwielicht entdeckte er einen Tross Rotröcke, die geradewegs auf das Haus zumarschierten.
»Was wollen die denn?«
Die Männer, die ihre Musketen geschultert trugen, bemerkten oder beachteten die Jungen nicht, sondern gingen an der Längsseite des Hauses vorbei, um ans Fenster der hinteren Kammer zu pochen, wo Don und Malcolm schliefen. Duncan mochte die beiden, denn sie waren zwei tüchtige Kämpfer, und er war entschlossen, sie eines Tages für König Jamies Sache zurückzugewinnen.
»Die haben wohl ihre Wache verschlafen«, sagte Angus. Er musste fast schreien, damit Duncan ihn verstand. »Oh weh, das setzt was!«
Sie hatten es beide schon gesehen – die Soldaten des Willie wurden geschlagen wie Hunde, sooft sie ihre Pflichten vernachlässigten. Duncan aber wollte, dass seine Männer, wenn er einmal eine Kompanie befehligte, ihm ergeben waren, weil ihm ihre Herzen gehörten, nicht weil er sie schlug.
»Komm weiter.« Er zog Angus am Ärmel.
»Müssen wir wirklich nach Carnoch?«
»Klar müssen wir! Siehst du nicht, wie hoch Leutnant Lindsays Feuer brennt? Da geht was vor sich! Und jetzt hör auf zu schreien, sonst weckst du den stocktauben Vater auf.« In dem Trab, den sie sich angewöhnt hatten – Duncan halb auf die Krücke, halb auf Angus gestützt –, eilten die Jungen in die Nacht. Auf ihren drei starken, aufeinander eingestimmten Beinen waren sie geschickter und flinker als manch anderes Gespann auf vieren.
Rob war durch die Nacht getaumelt wie durch einen seiner Albträume. Wie in jenen spürte er weder Kälte noch Schneefall, sondern nur das viel größere Grauen in sich. Der Whisky, den er mit den Brüdern getrunken hatte, hüllte seinen Kopf in Nebel, aber sein Herz schlug mit klirrender Schärfe. Er stolperte die Posten ab, um den Offizieren den Befehl zu zeigen, traf unterwegs auf Drummond, der ihm einen Großteil der Arbeit bereits abgenommen hatte, und dann auf Leutnant Lindsey, der ebenfalls Bescheid wusste und auf einem Pony auf dem Rückweg nach Carnoch war. »Den Alten übernehmen wir«, erklärte der Leutnant, obwohl es an Rob gewesen wäre, ihm einen Platz zuzuweisen.
Es scherte ihn nicht. Wie kann mich einer zur Verantwortung ziehen, wenn ich wie die anderen nur Befehle befolge? Wie könnte man von mir verlangen, dass ich mich gegen meine Männer stelle – allein gegen alle? Meine Schuld ist es nicht, dass der MacIain so stur war. Meine Schuld ist es nicht, dass König William Dalrymples Marionette ist. Meine Schuld ist es nicht, dass Argyll eine Krähe ist, die andern Krähen die Augen aushackt. Er hörte Trommeln durch die Nacht schlagen und sah in jedem Strauch Gesichter.
»Wir machen besser, dass wir fertig werden!«, rief Lindsay zu ihm hinüber. »Uns bleiben kaum mehr drei Stunden Zeit.«
So trat Rob mit einem Tross seiner Männer den Rückweg nach Inverrigan an.
Und wenn ich einen rette, nur einen, der niemandem auffällt und aus dem sie mir keinen Strick drehen können? Würde man mir den zugutehalten? Würde der eine allen, die nach mir kommen, erklären, dass ich kein Unmensch war? Er könnte den jungen Sandy Og retten, der der Einzige war, der von Herzen bereute, was er ihm
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