Glencoe - Historischer Roman
auf, wie ich dir dein Drecksmaul stopfe, Bastard.«
Welchen Schaden konnte ein solcher Stock anrichten, wenn er den Kopf des Gegners traf?
Als der nächste Hieb ertönte, glaubte Sarah das Splittern eines Schädels zu hören, der auf kantigem Gestein zerplatzte. Vor Entsetzen schlug sie die Hände vor den Mund: Der Knabe, der rückwärts den Hang hinabstolperte, war Duncan. Weil erdie Linke für die Krücke brauchte, musste er das Stockschwert einhändig führen. Zudem war Duncan viel kleiner als Angus, schmal gebaut und nur halb so alt. Ich darf nicht eingreifen. Eher muss ich zusehen, wie mein Kind zu Tode stürzt .
»Für König Jamie!«, schrie der kleine Junge außer Atem und schlug linkisch nach dem Stock des Gegners. Seine Krücke stocherte wie der Stock eines Blinden auf den Steinen herum.
»Niemals!«, brüllte Angus und hieb mit der Waffe auf Duncans Schulter. »Du bist ein Mann vom winzigen Willie – der hat ein winziges Schwänzchen, und du hast ein winziges Beinchen.« Er lachte röhrend, und die Horde um ihn stimmte schallend ein.
Duncan stieß einen Wutschrei aus, ließ die Krücke fallen und hieb beidhändig zu. Angus riss seinen Stock in die Höhe, war jedoch nicht schnell genug und wurde an der Schläfe getroffen.
»Dreckiger Campbell-Bastard!« Mit der Kraft von Schmerz und Zorn sprang Angus den Kleineren an. Der ging zu Boden. Schläge hagelten.
Der Schrei, den Sarah hörte, entstammte ihrer eigenen Kehle.
»Missgeburt!« Angus packte Duncan bei den Schultern und schlug ihm den Kopf hart auf den Boden. »So wie dir ergeht’s euch allen, euch Männern vom Thronräuber Willie, widerliche Läuse!«
»Ich bin kein Mann vom Willie«, keuchte Duncan. »König Jamies Mann bin ich, König Jamies Mann!«
»Ha, und du glaubst, König Jamie braucht Krüppel wie dich?«
»Mein Vater kämpft für König Jamie«, schrie Duncan zurück. »Mein Vater wird schneller Captain als deiner, das schwör ich.«
Ich bin ein Monstrum, durchfuhr es Sarah. Einer bringt mein Kind um, und ich stehe hier und glotze. Im selben Augenblick rannte sie los.
»So so, dein Vater.« Wieder hieb Angus dem Kleineren den Kopf auf den Stein. »Weißt du denn überhaupt, wer dein Vater ist? Mein Onkel Sandy Og kann’s kaum sein, der hält sich lieber an sumpfschwarze Kühe als an die magere Ziege, die dich geboren hat.«
Das Gelächter dröhnte in Sarahs Ohren. Sie stolperte, fiel, fing sich im dürren Gras.
»Ich sage dir, wer dein Vater ist: Rob Campbell, dessen Clan sich dem Willie verkauft. Ein Campbell bist du, ein Bastard aus Glenlyon!«
Sarah hörte nur noch Rauschen und Geschrei. Ein Schatten wischte an ihr vorüber: Gormal. Sie packte ihren Sohn am Kragen, zog ihn auf die Füße und versetzte ihm zwei knallende Ohrfeigen.
»So etwas höre ich nie wieder«, sagte Gormal. »Oder ich stelle dich drüben an die Hauswand und haue dir wie als Rotzbalg den Hintern durch.« Zwei weitere Ohrfeigen klatschten. Die Wangen des Frevlers liefen blutrot an, vor Scham ebenso wie von den Schlägen. Jemand lachte leise. Für einen Jungen in Angus’ Alter war wenig peinlicher, als vor Kumpanen mütterliche Senge zu beziehen.
»Aber es ist doch wahr!«, begehrte Angus auf. Die erneuten Backpfeifen, die ihm seine Kühnheit eintrug, brachten ihn zum Heulen.
»Derlei mag man sich denken«, beschied ihn Gormal. »Aber man spricht es nicht aus.« Noch einmal schlug sie ihn auf die brandrote, nasse Wange, dann stieß sie ihn von sich. »Los, hilf dem Kleinen, und dann zurück zum Vieh mit euch. Keinen Mucks will ich mehr hören, oder mein Riemen putzt euch die Hinterbacken blank.«
Noch einmal warf sich Angus in die Brust, dann sackte er zusammen und wischte sich den Rotz vom Gesicht. Stur zur Seite blickend streckte er Duncan die Hand hin, doch sein Gegner kämpfte sich aus eigenen Kräften auf die Füße. DerKleine sah zum Gotterbarmen aus: das Haar zerrauft, die Wange aufgeschürft, die Lippe krustig von Blut. Am liebsten hätte Sarah die Arme geöffnet und ihren Sohn darin getröstet. Duncan aber klopfte sich bereits den Dreck von den Kleidern, hob die Krücke auf und humpelte den andern hinterdrein.
Wie Sommerregen setzte das Gemurmel der Frauen wieder ein, die eine nach der anderen gemächlich an ihre Plätze zurücktrotteten. Einzig Gormal und Sarah blieben stehen, um ihren Söhnen nachzusehen. »Du glaubst es auch, nicht wahr?«, fragte Sarah, ohne der Schwägerin das Gesicht zuzuwenden.
»Du hast mich gehört.« Gormal
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