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Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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der Kämpfer, die aufgerissenen Münder, zerrauften Haare und die zweischneidigen Claymores in eisernen Händen, Waffen, die scharf genug waren, um einen Mann in der Taille zu zerteilen. Hochlandheere besaßen zwar nur wenige Feuerwaffen, hatten aber ihr eigenes Feuer, das ganze Dörfer in Brand steckte.
    Wir haben oft gesiegt, dachte der MacIain. Wir könnten auchdiesmal siegen, und dann kommt Jamie zurück. Der Sommer wird den Namen eines Schlachtfelds tragen, und das Gewäsch von neuen Zeiten legt sich. Er sprang vom Pferd und ließ sich in begierige Arme reißen.
    »Alasdair MacDonald, rötester Höllenhund von Lochaber!«, brüllte ein Kerl, der ihm nur bis ans Kinn reichte, aber mit noch mehr Muskelfleisch bepackt war als er selbst. John Stewart von Ardshiel, der den Clan aus Appin führte, solange dessen blutjunger Chief im Süden studierte. Er drosch dem MacIain auf die Schulter, dass der Knochen ächzte. »Wie viele bringst du, deine kümmerlichen hundert? Wir haben das Doppelte, aber wie üblich gebärdet sich alles, als wärst du der König von Lochaber, als brächtest du mindestens tausend wie Ewen Cameron.« Es war eine Eigenheit des Burschen, sich nur brüllend zu verständigen und nicht einmal heiser zu werden.
    »Wo ist Ewen?«, fragte der MacIain.
    »Eben gekommen!«, brüllte Ardshiel. »Wartet auf dich.«
    Der MacIain nahm den Grauen beim Kopfzaum und folgte Ardshiel durch die Menge. Es war gut, unter Gefährten zu sein, unter Männern, die die gleichen Dinge mochten, an Gleiches glaubten und sich an Gleiches erinnerten. Es war auch gut, zu spüren, dass man Achtung genoss, dass allseits Bonnets gelüftet wurden und die Schar, wenn nötig, auf ihn hören würde.
    Ewen Cameron war tatsächlich mit tausend Mann eingerückt. Er beaufsichtigte gerade eine Horde Jungen, die Kienfackeln in die Erde rammten, und drehte sich um, als er hinter sich den Schritt des MacIain hörte. »Danke«, sagte er erleichtert.
    »Hast du geglaubt, ich stehe nicht zu meinem Wort?«
    »In solcher Zeit versteht sich das nicht länger von selbst. Breadalbane hat dreihundert zugesagt. Er ist bis jetzt nicht hier.«
    »Noch ist nicht aller Tage Abend!«, brüllte Ardshiel. »Der wird schon kommen.«
    »Ihr wisst, dass sein Clanchief William von Oranien die Krone Schottlands angeboten hat.«
    Dass er »William von Oranien« sagte, zwiebelte mächtig. Für gewöhnlich nannte kein Hochländer den Thronräuber anders als den »winzigen Willie«. Und dennoch wurde jener erste Abend im Lager vergnügt, ebenso der zweite und der dritte. Die Nächte waren mild, und der Wein, den Ewen Cameron stiftete, schmeckte würzig. Geschichten wurden erzählt, die man hundertmal gehört hatte. Doch indem man grölte: »He, Donald, hast du das Zeug nicht schon von dir gegeben, als mein Großvater noch am Daumen lutschte?«, bekannte man: Ich bin einer von euch. Nicht der Einzige mit mehr Leben hinter sich als vor sich .
    Als aber die Tage ereignislos, kampflos und ziellos verstrichen, als deutlich wurde, dass kein Breadalbane mehr kommen würde, und als auch Bonnie Dundee nicht kam und das strahlende Wetter grauem Nieselregen wich, rückte der Grund der Zusammenkunft in immer weitere Ferne. Stattdessen krochen alte Feindseligkeiten an die Oberfläche, die alte Tücke, die alte Missgunst. Die Geschichten an den Feuern wurden hämischer und endeten nicht selten in Raufereien.
    Der MacIain hatte nichts anderes erwartet. Die Burschen wollten kämpfen. Wie sonst sollten sie zeigen, was für Kerle sie waren? Solange man sie nicht kämpfen ließ, brüsteten sie sich mit Kämpfen der Vergangenheit, auch wenn sie die nur aus den Liedern ihrer Barden kannten. Eines Abends erzählte ein schlaksiger Spund namens Charlie, ein Vetter des Stewart-Chiefs aus Appin, gar von einem Vorfall, der sich vor bald hundert Jahren zugetragen hatte. Von jenem Ereignis wurde häufig erzählt, doch eignete es sich nicht für jede Gesellschaft und schon gar nicht für jede Lage.
    Der MacIain mochte die Stewarts aus Appin und hätte mit ihnen sein letztes Fass Lebenswasser geteilt. Hundert Jahre zuvor aber hatten sich die MacDonalds einen Sport daraus gemacht, wie die Frühlingsschmelze in Appin einzufallen undmitzunehmen, was ihnen gefiel. In jenen Jahren vor dem Bürgerkrieg, ehe der Sassenach also einem Stewart-König den Kopf abschlagen wollte, hatten die Clans keinen gemeinsamen Feind gehabt. Kein Wunder, dass junge Kerle mit Hummeln im Hintern einander an die Kehlen

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