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Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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vielerorts wieder Kredit. »Der hat Archibald Argyll hinter sich«, murmelte ein Händler dem anderen zu und beeilte sich, dem einst geschmähten Laird von Glenlyon zu Diensten zu sein. Das von Argyll Geborgte genügte, um Annies Mitgift zu bestreiten und die ärgsten Gläubiger ruhigzustellen, und es blieb sogar noch etwas übrig, um die Herden aufzustocken. Zwar war der Reichtum des Hochlandherrn traditionell sein Rindvieh, aber Rob hatte Schafe gekauft, wie Argyll es geraten hatte. In verstiegenen Träumen kaufte Rob sogar bereits Meggernie zurück – er würde das Schloss niemals aufgeben und war zuversichtlich, dass eines Tages auch die silbernen Platten, die er oft voll Sehnsucht streichelte, wieder auf Meggernies Tafeln stehen würden.
    Als es ihn zu frösteln begann, ging Rob ins Haus, um sich noch einen Becher aufgesparten Brandes zu gönnen und auf sein eigenes Wohl zu trinken. Endlich stand er wieder auf fruchtbarem Boden! Helen, so hoffte er, würde wie so oft schon schlafen. Aber Helen schlief nicht, sondern schlich, als Rob in den Gang trat, vom Küchenhaus herüber – Helen, die nie trank. »Was tust du denn?«, herrschte Rob sie an.
    »Ich sitze noch mit dem Boten.«
    Der Bote war gegen Mittag gekommen und hatte Argylls Geschenk für das Brautpaar mitgebracht, vier Tafelleuchter ausgutem Silber. Rob hatte den Mann bisher nicht zu Gesicht bekommen. »Weshalb ist denn der Bote nicht längst auf dem Weg?«, fragte er ungehalten. So spät, wie es nun war, würden sie den Kerl nicht mehr wegschicken können, sondern müssten für ein Lager und Frühstück sorgen. Wütend griff er nach Helen: »Sag schon!« Er wollte ihr wehtun, bis sie ihm erklärte, warum sie sich des Mannes nicht entledigt hatte, aber sie entwand sich und floh zum Salon.
    Dort saß der Bote in Robs Scherenstuhl, hob mit süffigem Lächeln einen Becher und ließ sich von Helen wie von einer Hausmagd einschenken. Rob sprang hinzu und riss ihr die Kanne fort. »Gib her!« Mühsam zwang er sich, die zitternden Hände ruhig zu halten und sich einen Becher zu füllen.
    »Guten Abend, Rob«, sagte der Bote. Wie man einen Hund herzt, strich er sich über die sorgsam gelegte Perücke. Er war gar kein Bote. Er war Robs Vetter Breadalbane. »Ich bin schon so gut wie aus dem Haus, nur noch einen Schluck dieses zugegebenermaßen gewöhnungsbedürftigen Gesöffs.«
    Es ist gut, versuchte Rob sich zu beruhigen. Argyll hat nicht einfach einen Untergebenen geschickt, sondern den Vetter höchstselbst, um meiner Tochter Ehre zu erweisen. Im nächsten Atemzug machten die Selbstbeschwichtigungen der Wahrheit Platz: Der Graf von Breadalbane ließ sich nicht schicken und nahm erst recht keine unbequeme Reise auf sich, wenn es nichts zu gewinnen gab. Sein Besuch war Teil eines Plans, den Rob noch nicht durchschaute. Dafür wusste er genau, was in Breadalbanes Schädel vorging: Armer Rob, lebt in solcher Bettlerhütte und kann sich nichts Saftigeres als die vertrocknete Pflaume halten.
    »Entbietest du Gästen neuerdings keinen Trinkspruch, Rob?«
    Der Angesprochene fuhr zusammen und starrte auf das Gefäß in seiner Hand, das er, ohne es zu merken, in einem Zug geleert hatte.
    »Dann tue ich es für dich.« Breadalbane erhob sich. »Gottschütze unser armes Schottland, seine Städte und Weiber und seinen guten König James.«
    Ein gängiger Trinkspruch, der aus Breadalbanes Mund allerdings wie ein höhnischer Scherz klang. Rob trank aus dem leeren Becher. »Warum hast du dich uns bei der Feier nicht angeschlossen?«, fragte er lahm.
    Der Vetter winkte ab. »Nicht doch, nicht doch. Dir einen ungeladenen Gast aufzubürden, fiele mir nicht ein! Schließlich weiß ich, wie hart es dich ankäme.« Die beleidigende Absicht war unverhohlen. Hochländer fielen einander fortwährend ungeladen in die Häuser, kein Gebot stand in höheren Ehren als das der Gastfreundschaft. Wer es verletzte, war kein Hochländer mehr. »Ich bin ja nicht gekommen, um zu feiern«, plauderte der Vetter weiter, »sondern um eine Nachricht auszurichten, und ich bin auch schon auf dem Weg zurück.«
    »Du bleibst natürlich hier. Ich lasse dir eine Kammer richten.«
    »Nur kein Aufwand. Mein Wagen steht bereit.« Breadalbane stellte den Becher ab und deutete eine Verbeugung an. »Meine Dame, ich danke für die liebenswürdige Bewirtung.«
    »Deine Nachricht«, bellte Rob, nicht länger fähig, sich zurückzuhalten.
    Die Lippen seines Vetters kräuselten sich. »Die habe ich deiner Gattin

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