Glencoe - Historischer Roman
ist schon zu Bett.«
»Du verlangst von mir, dass ich mein Volk verrate, meinen Namen beflecke, dass ich alles von mir werfe, was mir geblieben ist – und dann ziehst du los und legst dich schlafen ?«
»Ich verlange gar nichts von dir«, erwiderte sie. »Dazu braucht es mich nicht.«
»Du willst nur meinen Glauben an mich selbst erschüttern!«, fuhr er auf und schüttelte die Faust. »Doch das gelingt dir nicht, ich beweise es dir.«
»Ich will dich dabeihaben, Kerl.«
Ewen Cameron sprach zu Sandy Ogs Rücken. Sandy Og kniete im regennassen Gras und bemühte sich, ein paar im Übungskampf beschädigte Targes mit Leder und Eichenholz zu flicken. Er war nicht sonderlich geschickt bei Handwerksarbeiten wie diesen, aber im Lager musste jeder tun, was anfiel. Sogar kochen. Seit acht Wochen lagerten sie nun in Dalcomera, und Schwärme von Mücken tranken sich satt an ihrem Blut.
Sandy Og war bewusst, wie unhöflich es war, dass er nicht aufstand und die Arbeit unterbrach. Und Lochiel tat, was Sandy Og an seiner Stelle auch getan hätte: Er verpasste seinem Hintern einen Tritt. »He, Euer Gnaden. Ihr sprecht wohl nicht mit jedem.«
Sandy Og legte Holz und Hammer nieder und wandte den Kopf. »Was wollt Ihr von mir?«
»Das hast du doch gehört, oder sind deine Ohren so taub wie dein Sitzfleisch? Wir besprechen uns in Dundees Zelt, Clanführer und Befehlshaber. Ich will dich dabeihaben.«
»Ich bin kein Captain. Und nur ein Zweitgeborener.«
»Ja, und du kokettierst damit wie eine Hure mit Schönheitspflastern. Steh auf, sei nicht albern.« Lochiel trat noch einmal zu, diesmal deftiger.
Sandy Og hatte Mühe, nicht vornüberzufallen. Er stand auf und klopfte sich notdürftig die feuchte Erde vom Kilt. Ich wette, ich bin ein Anblick für Götter. Ein Aushängeschild, der Stolz des Hochlandheeres.
»Ich beobachte dich seit Wochen«, sagte Lochiel.
»Das Vergnügen sei Euch gegönnt.«
Zu Sandy Ogs Verblüffung verzog Lochiel den Mund zu einem Schmunzeln. »Wenn du auf diese Weise nach Lob heischst, gehst du leer aus, Freund. Und jetzt komm.«
»Aber mein Vater wird …«
»Hör zu, Freundchen«, unterbrach ihn der Ältere, »was du und dein Vater miteinander habt, geht mich nichts an. Ich jedenfalls brauche jeden Kopf, in dem ein Hirn steckt, und ich werde auf deinen nicht verzichten.«
Dundees Zelt war eher ein Haus aus Leinwänden, eine prächtige Erfindung, die man auf einem Lasttier mitführen und allerorts zur Bequemlichkeit des Bewohners aufschlagen konnte. Sandy Og mochte derlei Dinge gern, praktische Neuerungen, die das Leben angenehmer machten. Wenn wir mehr Zeit hätten, durchfuhr es ihn, wenn wir nicht immerfort neue Waffen bräuchten, was bekäme unser Geist nicht auf die Beine gestellt?
Ein Klaps aufs Schulterblatt unterbrach seine Überlegungen. »Hier habt Ihr Alasdair, genannt Sandy Og«, sagte Lochiel, »den Sohn des scharfzahnigsten Halunken, der in Lochaber sein Unwesen treibt.«
Die Versammelten lachten. Das Zelt wirkte von innen größer als von außen. Die Chiefs und Dundees Befehlshaber hatten auf Schemeln und am Boden Platz gefunden, und im hinteren Winkel thronten Ranald vom Schild und Ian Lom, der Barde von Keppoch, der für seine protzigen Heldenliederbekannt war. Die beiden zupften ihre Harfen und bewahrten die Männer im Zelt mit ihrem Perlen und Plätschern vor Stille.
»Der junge Spund macht sich vor Angst die Wolle nass.« Von Neuem klopfte Lochiel Sandy Og auf den Rücken. »Aber er ist kein Dummkopf.«
Sandy Ogs Blick fiel auf John Graham von Claverhouse, den Viscount von Dundee. Es war das erste Mal, dass er ihn aus der Nähe sah. Wer den Feldherrn kannte, schwärmte von seiner Schönheit, nannte ihn Bonnie, den »schönen Dundee«, weshalb es Sandy Og verblüffte, dass er tatsächlich schön war. Seine Schlankheit war beinahe zart, Rock und Perücke wirkten wie um ihn gegossen, die Gesichtszüge wie mit der Feder gezogen, die Augen leuchteten vor Leben. Einst hatte er für William von Oranien gekämpft und ihm das Leben gerettet – dennoch hatte der Rat in Edinburgh ihn Ende März zum Rebellen erklärt. Hatte man damit seine Anhänger einschüchtern wollen, so hatte der Rat das Gegenteil erreicht: Scharen strömten ihm zu, haltlos vor Entrüstung und blind vor Leidenschaft. Es ist ein Segen, einen Feldherrn zu haben, der schön ist, dachte Sandy Og, denn der Wunsch, das Schöne zu schützen, ist stark.
Einer der Männer, die am Boden saßen, reckte den Kopf. Der
Weitere Kostenlose Bücher