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Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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gelegen sein als an ihrem Mann.«
    »Ich bringe das Lamm, das dem MacIain zusteht«, sagte die Frau in der Tür und schlang zugleich die Arme fester um das Tier. Ceana erinnerte sich. Die Zippe der Frau, die Ros hieß, hatte vor Wochen geworfen, und da die Lämmer nun entwöhnt waren, hatte die Lady befohlen, ihr das ihr zustehende Jungtier nicht länger vorzuenthalten.
    »Setz es nur auf den Boden«, sagte Ceana, die eine Handvoll Bergthymian zerbröselte und auf die Suppe streute. »Ich gebe nachher Angus Bescheid, dass es gezeichnet werden muss.«
    Ros machte keine Anstalten, sich zu bücken und das Tier abzusetzen. »Wirklich entbehren kann ich’s nicht«, murmelte sie. »Mein Mann und der Junge ziehen mit Bonnie Dundee und bringen mir nichts nach Hause, das Kleine frisst wie ein Iltis, und der Tage kommt noch eins nach.«
    Ceana hielt inne. »Das Lamm ist aber doch eine Zwillingsgeburt?«
    Ros’ Schweigen war Antwort genug.
    »Höre, Ros, du musst es uns geben, und du weißt es«, beharrte Ceana. Von jeder Zwillingsgeburt gebührte dem Haus des MacIain ein Halbes, sei es bei Schafen, bei Rindern oder bei der besten Stute. Das Gesetz war uralt und wurde jedes Mal aufs Neue beschworen, wenn ein MacIain auf dem Cairn, dem Steinhügel der Fianna, zum Chief des Clans ernannt wurde. Es zu missachten forderte düstere Mächte heraus. Die Augen der Frau verdunkelten sich.
    »Es tut mir leid«, sagte Ceana, trat auf sie zu und nahm ihr das Lamm aus den Armen.
    »Du bist ein gutes Ding«, erwiderte Ros schicksalsergeben, »hast mit jedem Mitleid. Ist ja nicht deine Schuld, dass du nicht helfen kannst.«
    »Wenn der Knecht geschlachtet hat, lasse ich dir deinen Teil vom Fleisch bringen«, versprach Ceana, »wie der MacIain es täte.« Der MacIain war die leibhaftige Großzügigkeit, aber auch er durfte von den in Stein gemeißelten Gesetzen keines brechen.
    Ros zog ihres Weges. Das kleine Lamm blieb mit gespreizten Beinen stehen und sah sich witternd um, als könne das törichte Geschöpf begreifen, dass es von jetzt an allein war.
    Bald war die Suppe dick genug eingekocht, und derschlimmste Teil des Tagwerks stand bevor. Die Frauen des Tales fütterten reihum den Uralten, und Ceana mochte sich davor nicht drücken, auch wenn die Lady ihr in den Ohren lag, sie solle es andern überlassen, und auch selbst nie mit Speisen zu ihm ging. Natürlich war es recht, den Krauter zu versorgen, man konnte ihn schließlich nicht hungern lassen. So schlug sie einen Fleischknochen in Tücher, schöpfte Suppe in einen Napf und füllte eine Lederflasche mit verdünntem Beerenwein. Zuletzt stellte sie alles in einen Korb, deckte ihn zu, damit die Fliegen sich nicht auf die Speisen stürzten, und machte sich auf den Weg. Etwas Gutes hatte das Grauen vor dem Uralten: Es war so heftig, dass sie den Schmerz in sich nicht spürte.
    Der Uralte hatte seinen eigenen Verschlag, der ihn vor Regen schützen sollte, doch wenn er nicht die Jungen bei den Herden belästigte, lungerte er davor herum, ohne sich um das Wetter zu scheren. Auch jetzt konnte Ceana ihn durch den Regen sehen.
    Die Lumpen des Alten stanken nach Verwesung. Obgleich die Frauen ihm reichlich zu essen verschafften, war auf seinen Knochen kein Fleisch. Sein Gesicht glich einem Totenschädel, dem die fadenscheinige Hülle nicht mehr passte, aber es waren die tief liegenden Augen, das Starren wie aus schwarzen Gruben, das Ceana Angst machte – Abgründe, die sie aufsaugen wollten. Irgendwann holen sie mich, und dann bin ich in ihm begraben und kein Mensch weiß von mir, durchschauderte es sie. Sich eine alberne Gans zu schelten half nicht, denn selbst Gänse spürten, wo ihnen Gefahr drohte.
    Ceana bemühte sich, den Alten nicht anzusehen, sondern allein auf die Mahlzeit zu achten, die sie auf einem Stein für ihn bereitete. Sie stellte den Napf hin, legte den Knochen auf das Tuch und goss ihm Wein ein. Er griff nicht nach dem Becher, obwohl jeder sagte, dass er ein Trinker war. Auch Suppe und Fleisch rührte er nicht an, und er gab keinen der grunzenden oder heulenden Laute von sich, die man von ihm kannte. Wäreder Gestank nicht gewesen, hätte sie annehmen können, er sei gar nicht da.
    Ceana hob den Kopf und sah ihn an, erschrak einmal mehr vor den leeren Augen, die auf sie gerichtet waren. Die Lady lässt grüßen, wollte sie sagen, aber in ihr war alles zugeschnürt.
    »Kleines Mädchen«, kratzte der Uralte heiser, als ritze er die Worte in Metall. »Kleines

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