Glencoe - Historischer Roman
ihn jemand ermahnen, sich zu beeilen, und dennoch musste Sandy Og Zeit schinden, so gern er auch auf sein Pferd gestiegen und entflohen wäre.
Sein Bruder John ließ nicht lange auf sich warten. Er trat hinter ihn, packte ihn hart um die Schulter und riss ihn herum. Sandy Og leistete keinen Widerstand. Es war wie am Morgen nach Beltane, als sie Glencoe verlassen hatten, aber damals hatten sie ihrem Streit noch einmal die Spitze nehmen können.
»Du weißt, dass ich dir das nie vergebe, oder?« Johns blaue Augen funkelten vor Wut.
Sandy Og nickte. Natürlich hätte er fragen können, was John ihm nicht vergab – dass er geboren war und lebte, dass der Vater John liebte, nicht ihn? Er fand jedoch, er müsse John zumindest seinen Zorn lassen.
Der Bruder stieß ihn, und Sandy Og taumelte gegen den Pferdeleib, dass der Schecke scheute. »Beherrsch dich«, sagte er ruhig. Wenn John ihn schlug, wenn sie erst Aufmerksamkeit erregten, blühte ihnen beiden Spott. Spott, den John nicht ertrug. Er befreite sich sacht aus Johns Griff und stieg auf. »Guten Weg, John.«
»Ich hasse dich!«, rief der tränenerstickt. »Arbeite ich nicht hart, um alles richtig zu machen? Meine Frau, meine Söhne – ist nicht alles so, wie Vater es will? Habe nicht ich verdient, was dir in den Schoß fällt, ausgerechnet dir, der nur tut, was ihm gefällt?«
»Sei leise. Jeder kann dich hören.« Es war Sandy Og zuwider, das Pferd zu wenden und John wie einen dummen Jungen stehen zu lassen, aber anders wäre John nicht verstummt. Er schrie ihm noch etwas hinterher, das Sandy Og vorgab nicht zu hören. Es war an der Zeit. Dundee und sein Bannerträger warteten vor dem Pass, und Sandy Og hatte sich zu den Seinen zu gesellen, zu den MacDonalds aus Glencoe, die ihm Guten Morgen wünschten, wie es sich gehörte. Nur sein Vater schwieg.
Er hätte sich wehren sollen. Schick mich zurück, nicht John, hätte er dem Vater sagen sollen, ihm liegt so viel daran, sich zu beweisen. Aber er sagte nichts.
Am Vorabend hatte es im Hauszelt des Heerführers eine letzte Zusammenkunft gegeben. »Ich will MacKays Rotröcke nicht erst auf der Festung treffen«, hatte Dundee erklärt. »Die Festung Blair ist jedermann bekannt, und jedermann kann planen, wie er seine Truppen dort am wirksamsten aufstellt. Wir brauchen MacKay an einem Ort, der ihm fremd ist und dessen Gegebenheiten er nicht zu seinem Vorteil nutzen kann.«
Danach war er abrupt umgeschwenkt und hatte noch einmal versucht, die Chiefs von seinem Plan zu überzeugen. Er wollte, dass sie ihre Leute die Küste entlangführten, weil er immer noch hoffte, irgendwo Munition kaufen zu können. Sandy Og glaubte zu verstehen, was es den erfahrenen Heerführer kostete,gegen eine so grundlegende Regel zu verstoßen: Man zog ebenso wenig in eine Schlacht, deren Gesamtdauer man nicht durchkämpfen konnte, wie man keinen Winter mit Fleisch für nur vier Wochen überlebte. Doch die Schlacht ließ sich so wenig aufschieben wie die grimmige Jahreszeit.
»Mein General, sosehr Ihr mit Eurer Befürchtung recht habt, muss ich Euch drängen, unserem Rat zu folgen«, hatte Lochiel gesagt. »Wie Ihr berichtet habt, patrouillieren bewaffnete Schiffe unter Williams Flagge an der Küste. Wir würden Männer verlieren, ohne etwas zu erreichen. Auch wenn Euch das Kunststück gelänge, zusätzliche Munition zu ergattern, hätte MacKay immer noch dreimal so viel.«
Dundee stützte den Kopf in eine Hand. »Ich höre.«
»Wir sollten tun, was niemand außer uns kann«, erklärte Lochiel. »Ihr habt gesagt, Ihr wollt MacKay nicht auf der Festung Blair treffen, und ich stimme Euch zu. Lasst uns einen Ort aufsuchen, der sich für unsere Art des Angriffs eignet, für den Hochlandsturm: eine einzige kolossale Salve, alles Pulver auf einen Schlag heraus, und dann ein Ausfall mit Breitschwertern. Ein Kampf auf alles oder nichts.«
Dundee ließ sich nicht hetzen. Es hieß, auf dem Schachbrett berechne er bis zu zwölf Züge im Voraus, ehe er zog. Endlich sagte er zu Lochiel: »Ich bin einverstanden. Ich traue Eurem Wort.«
Dafür, dass er sie befehligte und doch zu ihnen sprach wie unter Männern, die einander brauchten, liebten ihn die Hochländer und lieferten sich ihm aus. Lochiel lachte. »Sucht einen prachtvollen Ort aus, mein General. Sein Name wird in unsere Geschichte eingehen, und unsere Barden werden Lieder auf ihn singen.«
»Eines noch«, sagte Dundee. »Die unter Euch, die mit zwei oder mehr Söhnen gekommen sind, sollen
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