Glencoe - Historischer Roman
Jamie, uns von unserer Verpflichtung zu entbinden, wir erklären die Erhebung für beendet und erkennen William und Mary als Königspaar von Schottland an.« Das erwartete Wutgebrüll folgte, noch bevor Sandy Og die Stimme gesenkt hatte, doch er achtete nicht darauf, sondern sprach mitten in den Trubel. »Oder wir kämpfen. Im Vertrauen auf die Trümpfe auf unserer Seite.«
»Und was für Trümpfe haben wir auf unserer Seite?«
»Euch, mein Herr«, erwiderte Sandy Og. »Und unser Land.«
Dundee sah ihn mit hochgezogenen Brauen an, dann wandte er sich ab. »Wir werden uns für den Aufbruch rüsten«, bestimmte er. »Wir gehen auf Atholl, in zwei, höchstens drei Tagen.«
Während die Männer das Zelt verließen, fing Dundee Sandy Og noch einmal ab. »Jetzt weiß ich, warum Lochiel Euch schätzt.«
»Ich nicht.«
Der General lachte. »Weil Ihr nicht anders sein könnt, als Ihr seid, Sandy Og von Glencoe. Ich will Euch ein Versprechen abnehmen, Euch und Lochiel, ehe es übermorgen auf den Marsch geht. Falls mir etwas zustoßen sollte, sorgt dafür, dassdie Männer keinen Eid leisten. Sie mögen so viele trunkene Beschlüsse fassen, wie sie wollen, aber keinen Eid – nichts, was sich nicht aufheben lässt.«
Jetzt, wo er wusste, dass Aufbruch und Kampf bevorstanden, gelang es Sandy Og nicht mehr, die Sehnsucht nach Sarah zum Schweigen zu bringen. Als er sich in der Nacht niederlegte, das Lager um ihn schon halb abgebrochen und die Männer wie schwirrende Mückenschwärme, wünschte er, er könne mit ihr Verbindung aufnehmen, über dreißig Meilen hinweg. Die Schwärze der Nacht war ihm verhasst, und das Mondlicht half kaum. In ihm drängten sich Worte. Er wollte sie zu ihr hinüberbrüllen, damit sie nicht ungesagt blieben, aber er konnte sie nicht einmal benennen. Hörst du sie trotzdem, Sarah? Weißt du, was ich dir sagen muss, bleibt es nicht ungesagt?
Sandy Og träumte nicht oft. Manchmal, als Knabe, hatte er geträumt, er müsse in der Schwärze der Nacht ertrinken, und kein Mensch war da gewesen, zu dem er hätte sprechen können. In dieser Nacht aber träumte er von einer Frau, die in seinem Rücken kniete. Sie packte ihn bei den Schultern und stieß und rüttelte ihn so, dass ihm grau vor Augen wurde. Er wollte mit ihr sprechen, doch die Worte blieben aus. Erst im Erwachen begriff er, dass die Frau nicht Sarah gewesen war, sondern Ceana, seine kleine Schwester.
All der Schmerz, der sich wie ein Messer in mir dreht, wird mich einmal selbst zum Messer machen. Davor fürchte ich mich mehr als vor dem Schmerz .
Ceana hatte den Kessel über das Feuer gehängt und auf seinem Kupferboden Butter geschmolzen. Den am Vortag gesammelten Fenchel zerhackte sie mit jungen Zwiebeln, briet alles in der Butter, bis ihr vom würzigen Dampf die Augen tränten, und ließ anschließend Hafermehl darüberrieseln, bis jeder Zwiebelwürfel einem Hügel glich, der unter Schnee verschwand. Seltsam, im Sommer an Schnee zu denken, doch vor Wochen hatte es noch einmal geschneit. Jetzt fiel Regen gegen die Ziegelwände der Hütte, die sie mit der Lady Glencoe teilte.
Ceana zog an den Ketten des Kessels und dämmte das Feuer mit Tüchern, damit das Hafermehl braun wurde, aber nicht verbrannte. Dann gab sie Milch samt dem Rahm dazu. Solange sie denken konnte, wurde sie gelobt. »Ein Mädchen, das so hübsch ist wie Ceana, ist meist faul und klimpert mit den Augen«, pflegte die Lady zu sagen. »Aber Ceana ist fleißig und sauber und kennt nur ihre Arbeit.« Und doch spürte Ceana einen Schmerz in sich, der sich wie ein Messer in ihr zu drehen schien. Als das sahnige Weiß der Suppe Krater warf, gab sie die Pfefferkrumen hinzu, schwarze Punkte wie Pocken.
Es klopfte an der Tür. »Ist die Herrin nicht da?« Ohne weiter zu warten, schob sich Ros hinein, ein Lamm in den Armen, ein Kind auf den Rücken gebunden, ein weiteres im Bauch.
Ceana schüttelte den Kopf. »Sie ist bei ihrer Schwiegertochter. Die braucht Pflege.« Seit der Bote die Nachricht gebracht hatte, dass die Truppen unter Bonnie Dundee in Marsch gesetzt waren und es kein Zurück mehr gab, lag Eiblin mit Fieber danieder; vor Schreck war ihr die Milch versiegt.
Lady Glencoe umsorgte die Schwiegertochter, verzichtete jedoch nicht darauf, sie wegen ihres Verhaltens zu schelten: »Würden wir alle ein solches Gewese um unsere Männer treiben, kämen wir aus dem Flennen nicht raus. Du hast doch Kinder, Eiblin – drei gesunde Söhne! Einer Frau sollte an ihrem Sohn mehr
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