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Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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»Ihr habt nichts gesagt. Ihr wart mit anderem beschäftigt.« Die Lady war tatsächlich den ganzen Sommer über mit anderem beschäftigt gewesen: mit Krieg und Furcht und Rindersterben. Deshalb war ihr entgangen, dass Ceana das Lamm seit Wochen bei sich hatte, dass es längst zu einem jungen Hammel herangewachsen war.
    Sie wird sie schlagen, durchfuhr es Sarah. Es stand einer Mutter frei, ihre Tochter, ehe diese verheiratet war, mit der Rute zu züchtigen, und die Lady war unerbittlich, bei ihren Kindern mehr als bei jedem anderen. Inzwischen hatte sich das gesamte Lager eingefunden und im Ring um die Gruppe versammelt, die Blicke gierig, als gönnten die Frauen es der Untadeligen, dass sie einmal bei einem Frevel ertappt worden war und dafür ihre Strafe erhielt. Gönne ich es ihr? Will ich zusehen, wie sich der Leib, den mein Mann begehrt, unter Rutenstreichen biegt und seine herrliche Würde verliert?
    Sarah trat vor. »Wir haben andere Sorgen als derlei Kindereien«, sagte sie. »Das Wetter wird noch übler. Ich denke, wir sollten dies hier jetzt beenden und morgen zum Aufbruch rüsten.«
    Die Lady sah sie an.
    So hat sie mich angesehen, als Sandy Og mich brachte, während Vater MacIain ging, um ein Fass anzustechen. Als hätte man ihr statt des Festmahls einen leer gegessenen Teller vorgesetzt.
    »Sie hat recht.« Gormals Stimme war rau vom Schweigen. »Der Sturm, der heute Nacht aufzieht, wird nicht der einzige bleiben. Es wird zeitig schneien, und wir machen besser, dass wir nach unten kommen.«
    Die Lady blickte von einer zur andern und rieb sich das Kinn. Dann versetzte sie, statt auf eine von ihnen loszufahren, Ceana einen Stoß. »Ah bah«, stieß sie hervor, wie sonst der Vater MacIain. »Soll ich mit den Launen einer dummen Göre Kraft vergeuden? Du bringst dem Stummen morgen früh das Vieh zum Schlachten, auf dass es vor dem Abtrieb noch eingesalzen wird. Und ihr legt euch schlafen. Der Tag wird lang und hart.«
    Als die Frauen sich zerstreuten, führte Sarah Duncan und Angus zurück ins Haus, damit sie ihre Grütze aufaßen, und wusch einen Zuber voll Wäsche. Währenddessen berichteten die beiden ihr, was die Lady so in Zorn gebracht hatte: Die arme Ros, die kein Stück Vieh mehr besaß, war am Vormittag zu ihr gekommen und hatte behauptet, ihr wäre ein Teil Fleisch von einem Lamm zugesagt, aber nie übergeben worden, daher käme sie jetzt, um es einzufordern.
    »Es war Ros’ Zwillingslamm«, empörte sich Duncan. »Damit stand es dem Haushalt des Großvaters zu, aber Ceana hätte es nicht für sich behalten dürfen, sondern Ros vom Geschlachteten ihren Anteil geben müssen. Großvater MacIain hätte das getan.«
    »Aber Ceana hat ihr einen Schinken angeboten«, wandte Angus ein. In seiner Stimme schwang bereits ein schwärmerischer Ton, wenn er Ceanas Namen aussprach – aus dem Jungen wurde ein Mann, und wie jeder Mann wollte er Ceana beschützen. »Es war Ros, die gesagt hat, sie ist keine Bettlerin, sondern nimmt nur, was rechtens ihr gehört.«
    »Das hätte ich nicht anders gemacht«, beteuerte Duncan. »Ihren Stolz muss sie sich schließlich bewahren.«
    Sarah ließ sie reden, bis sie mit der Wäsche fertig war, und schickte dann Angus nach Hause und Duncan zu Bett. Das Wetter begann schon, sich zu gebärden, ließ die dünnen Wände erzittern, versetzte Mensch und Tier in Unrast. In solche Unrast, dass Lady Morag ihr Lieblingskind eine dumme Göre genannt und sich herabgelassen hatte, zu tun, was Sarah Campbell vorgeschlagen hatte. Nur vor Duncan machte die Unrast halt. Hatte er früher oft wach gelegen, so schlief er jetzt sofort fest ein. Sarah betrachtete sein entspanntes Gesicht, die rosige Wange und die glatte Stirn. Er ist glücklich, dachte sie und war es selbst die paar Augenblicke lang, derweil sie ihn zudeckte und ihm das Laken bis ans Kinn zog.
    Sie hätte sich gern noch beschäftigt, da es aber nichts mehr zu waschen gab, legte sie sich bald zu ihrem Kind. In der Dunkelheit hörte sie den Sturm heulen, ihr Blut im Hals klopfen und Duncan gleichmäßig atmen. Wie stets zwischen Wachsein und Schlaf wuchs ihre Sehnsucht, sie ließ die Kerze brennen, und mit verschwommenen Bildern vor Augen schlief sie schließlich ein.
    Als sie erwachte, war nichts mehr verschwommen. Durch die vertrauten Schemen des Raumes schnitt eine Umrisslinie, die nicht hineingehörte. Sarahs Herz jagte. Der Sturm trieb Schwaden von Regen gegen die Nordwand des Hauses, das sich zu biegen schien, aber schwer

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