Glencoe - Historischer Roman
stehlen die Kinder gleich mit?«
Coll röhrte vor Lachen. »Der ist gut, Junge, der ist gut! Weilwir keine schrumpelärschigen Campbell-Bälger wollen, deshalb. Was die zustande kriegen, zeugt unsereins in einer Nacht fünfmal. Jetzt geh und sammle deinen Gaul ein. Uns zieht’s nach Hause. Von unserm Weibsvolk blüht uns eine Nacht, dass die Schwarte kracht.« Noch immer lachend wies er nach dem Fluss, wo Sandy Ogs Schecke wartete.
Das Tier stand, wo er es verlassen hatte. Es war zwar in seinen Zügel getreten, hatte sich aber dem Anschein nach nicht verletzt. Nicht einmal am Gras rupfte es, sondern hielt den Kopf erhoben, wie um Sandy Og anzusehen.
Sandy Og stand vor dem verstörten Tier wie vor einem Fremden. Er schämte sich.
Am Abend gab es Streit um Ceanas Lamm. Lady Morag schimpfte. Gormal, die bei ihr stand, schimpfte zwar nicht mit, tat aber mit ihrer schweigsamen Gegenwart Schlimmeres.
Es war der Tage schwer, Gormal zu ertragen. Nach Lochiels Aufbruch, seit sie höher in die Berge gegangen war, um ihrem Mann das Lied zu singen, hatte sie nicht geweint, aber sich das Haar geschnitten – mit dem Schermesser für die Schafe. Jetzt lief sie als Geschorene durch das Lager, erledigte mehr Arbeit denn je, und wer sie sah, fühlte sich schuldig, weil er sich mit Läppischem aufhielt, um Belangloses sorgte, auf Entbehrliches neidisch war.
Sarah bewunderte sie im Stillen. Von jeder anderen hätte sie eher erwartet, dass sie etwas so Furchtbares, etwas so Wundervolles tat, wie für ihren Mann das Haar abzuschneiden, als von der wortkargen Gormal. An jenem Tag war ihre Schwägerin aus den Bergen nicht zurückgekommen, und nach der Weidezeit hatte Duncan Angus mit in die Hütte gebracht. »Seine Mutter kann ihm heute nichts kochen«, hatte er umstandslos erklärt, während sein stämmiger, bleicher Vetter sich vor Verlegenheit die Hände wund rieb. »Er muss bei uns sein Nachtmahl bekommen.«
Seither aß Angus an ihrem Tisch, als hätte er es von jeher getan; sie stellte ihm wie Duncan einen Napf hin, und beide Jungen begannen, in sich hineinzuschaufeln. Seit Angus dabei war, aß Duncan besser, und Sarah kam es vor, als lerne sie besser zu kochen. Dennoch, dessen war Sarah sicher, kam Angus nicht um des Essens willen, sondern weil er Angst vor Gormals Schweigen hatte. Ceana fürchtete es wahrscheinlich ebenfalls.
Duncan war nach draußen gehumpelt, sobald das Geschimpfe der Lady begonnen hatte, und Angus war ihm mit einigem Zaudern gefolgt. Sarah trat in die Tür. Harscher Wind wehte ihr regenschwanger ins Gesicht. Mit gesenktem Kopf stand Ceana vor ihrer Ziehmutter, die immer noch auf sie einschrie, und ihrer Milchschwester, die auf sie einschwieg. Solange Sarah in Glencoe lebte, hatte Ceana nie jemandem Grund gegeben, sie zu schelten, war die folgsame Lieblingstochter gewesen, die jedem nur Freude bereitete. Aber wir haben uns alle verändert. Die Lage zehrt an uns.
Die Lady war gereizt, weil sie den Haufen allein ins Tal bringen musste, wenn die Männer nicht bald kamen, und weil das Hungern begonnen hatte, die Not eines Winters ohne Mart. Niemand wusste, ob auf Gormal noch Verlass war, Eiblin war ein Schatten ihrer selbst, und Ceana, die allzeit vernünftige Ceana, hatte einem Lamm einen Strick umgebunden und führte es mit sich wie ein Kind sein Holzspielzeug.
Und was ist mit mir? Sarah sah den zwei Jungen, Duncan und Angus, hinterher, dachte an Lochiel, der sie beim Namen genannt hatte, und fühlte sich stärker als seit Jahren.
»Glaubt jetzt jede, sie habe das Recht, verrücktzuspielen?«, herrschte die Lady Ceana an, die den Strick des Lammes umklammerte. »Zählen nur noch die Launen meiner Töchter? Zählt der Clan keine Unze mehr? Kämpfen unsere Männer für nichts? Ich verlange, dass du sprichst, Ceana. Dass du mir erklärst, warum du dieses Tier nicht dem Stummen zum Schlachten gebracht hast, wie es recht gewesen wäre?«
»Ich hab Euch gefragt, Mutter Morag«, murmelte die Schöne leise. Würde sie Sandy Og dauern, wie sie so geduckt und eingeschüchtert dastand? Wäre er heldenhaft für sie in die Bresche gesprungen, um einzustecken, was für sie bestimmt war? Sarah blickte in Gormals versteinertes Gesicht und schämte sich ihrer schäbigen Gedanken.
»Ich bat Euch, dass Ihr mich das Lamm behalten lasst«, fuhr Ceana noch leiser fort.
»Und was habe ich dir darauf gesagt? Du willst mir doch nicht einreden, ich hätte einer von euch solchen Unfug erlaubt!«
Ceana schüttelte den Kopf.
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