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Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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verwüstlich war. Ihr Kind schlief in der Kuhle, die der kleine Körper sich ins Heidebett gewühlt hatte, der Kopf ruhte auf dem zu weichen Kissen. Noch einmal deckte sie ihn zu, ehe sie die Beine vom Lager schwang. Sie brauchte lange, um aufzustehen, denn ihre Beine flimmerten wie ihr Herzschlag.
    Ein Mann saß mitten im Raum auf einem Schemel. Vornübergebeugt. Von ihr abgewandt. Er war der einzige Mann, den sie an seinem Rücken erkannte. Aus seinem Hemd rann Regenwasser in Bächen. Sooft das Pfeifen des Windes nachließ, hörte Sarah das stete Tropfen; um seine Füße hatte sich bereits eine Pfütze gebildet. Wie lange saß er schon hier? Das Plaid war achtlos von der Schulter gestrichen, das Haar nass und wirr. Wenn er nicht erblindet war, musste er den Lichtschein bemerkt haben. Aber er drehte sich nicht um.
    Sarah schien sich zu teilen. Die eine Sarah dachte an alle erdenklichen wichtigen Dinge: dass er gewiss erbärmlich fror und aus den durchnässten Kleidern musste, dass er Hunger haben würde, dass, wenn sie ihm Milch gab, keine mehr für Duncans Frühstückssuppe da war. Die andere Sarah saß still auf dem Bettrand und sah ihn sich an. Sah abwechselnd auf seinen zitternden Rücken und auf ihre eigenen zitternden Finger. Die erste Sarah verlangte zornig zu wissen, warum er dort saß wie ein Fremder und sie nicht geweckt hatte. Die zweite, stille Sarah legte eine Hand über die Hand der Zornigen, damit die Ruhe gab, und stand mit ihr auf.
    Zwei Schritte brauchte sie. Dann erkannte sie ihn am Geruch, und das Haar an ihrem Körper richtete sich auf. Er drehte sich nicht nach ihr um. Je näher sie kam, desto heftiger sah sie seinen Rücken beben, die Schultern sich zuckend heben und senken. Der Wunsch, ihn zu berühren, wurde so groß, dass sie die Hände streckte, doch um ihm keinen Schrecken zuzufügen, rief sie ihn. Ganz leise. Das Kind sollte weiterschlafen. »Sandy Og.«

    Sandy Og war nach Hause gegangen, in die Hütte seiner Frau. Der MacIain hatte trotz Sturm und Dunkel noch zu den Sommerhütten aufsteigen wollen, aber Ben, der Wache hielt, gesagt, er solle die Frauen nicht wecken. »Lasst uns ein jeder zu seiner Liebsten schleichen und sie im süßen Schlummer überraschen.«
    Die Männer waren nass wie ersoffene Hunde, ausgehungert und schmutzig, und sie waren nicht mehr halb so viele wiean dem Tag, an dem sie aufgebrochen waren. In vielen Hütten blieben Frauen und Kinder allein.
    Sandy Og wollte im peitschenden Regen stehen bleiben, aber als die anderen aufgebrochen waren, hatte er es ihnen gleichgetan. War unter dem niedrigen Türstock hindurchgetaucht und geduckt in den Raum getreten. Das Haus roch nach Schlaf und frisch gewaschener Wäsche. Er verbot sich, nach dem Lager zu sehen, und erhaschte doch einen Blick auf die Linien der zwei Körper unter wollenen Decken. Sein Herz hämmerte. Sarah hatte die Kerze brennen lassen, wie er es von ihr erbeten hatte, in der ersten Nacht, in der sie bei ihm schlief. Er zog einen Schemel heran und setzte sich mit dem Rücken zu ihnen. Als ich ging, hatte ich kein Recht, sie zu berühren. Jetzt habe ich nicht einmal eines, sie anzusehen. Seine Wunden brannten, der Kopf tat ihm weh. In der Zeitlosigkeit saß er still und fror.
    Dann wachte Sarah auf. Sandy Og zitterte vor Kälte und war zugleich erstarrt. Er spürte, wie eine neue, viel härtere Starre seinen Rücken hinaufwuchs, und doch zitterte er noch immer. Seine Hände hatten den Kilt hochgeschoben, lagen auf blanker Haut und krallten sich in seine Schenkel.
    Licht flammte auf. Sarahs Füße tappten über den Boden. Zieh dir Strümpfe an. Die Nacht ist kalt. Sie kam ihm so nahe, dass er sie im Rücken spürte und sich ihr entgegenbiegen wollte, aber Angst und Kälte lähmten ihn. Gleich würde etwas auf ihn niedersausen, ein Wort, ein Hieb, etwas, das ihn vernichtete. Den Wilden vernichtete, der ihr Tal mit der Axt zerschlagen hatte. Den Schlappschwanz, der gegen Ferkel und Regentonnen kämpfte. Die entmenschte Kreatur, die töten konnte, aber keine Witwe trösten. Schick mich weg! Los, sprich es aus! Jag mich hinaus in den Sturm!
    »Sandy Og.«
    Wie im Nebel. Wie auf dem Rannoch Moor. Wie in der ersten Nacht, als ich dir noch nicht wehgetan hatte, noch nichts zu Brei geschlagen und aus unserem Bett kein Schlachtfeld gemacht hatte.
    Ihre Hände strichen ihm klatschnassen Stoff von den Schultern und schlossen sich darum, drückten sachte Haut, Muskel, Knochen, Narbengewebe, Sehnen, Blut.
    »Sandy

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