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Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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Männer einen steten Strom Tiere, johlten und schleppten in vollen Armen, was immer sich bewegen ließ: Fässer, Säcke und Körbe, Möbelstücke, Hausrat, Bücher, Berge von Kleidern, einige Waffen. Coll aus Keppoch winkte mit zwei silbernen Servierplatten, der Tölpel neben ihm mit einer Kinderdecke, der Mann hinter jenem mit der Wiege. Der MacIain, Ranald vom Schild und Big Henderson trieben eine Herde stämmiger Stuten, mehrere von ihnen trächtig, und einen prachtvollen Goldfuchs vor sich her.
    »Aufs Moor, aufs Moor!«, jubelte das Gerippe von einem Barden den Horden zu. Dann sangen alle ihr Lied:
    Colins Rinder,
    Meinem Herzen so lieb.
    Colins Rinder
    Geben Milch auf den Hügeln, in der Heide.
    Sandy Og hackte noch immer auf alles ein, was sich ihm darbot.
    »Heh! Lass noch etwas ganz! Sonst bleibt dir nichts als Beute!«, riefen ein paar Keppochs ihm zu, aber er hörte nicht hin, sondern hieb weiter um sich.
    Colins Rinder
    Hübsch wie junge Mädchen
    Und ihr Fell schwarz gesprenkelt
    Wie der Flügel des Moorhuhns.
    Das Tal schien mittlerweile in Auflösung begriffen: Aus den Trümmern der Hütten flohen Menschen, die ihr zerschmettertes Hab und Gut an sich pressten, und in die andere Richtung, zum Moor, trieben lachende Plünderer das Vieh. Im aufgewühlten Boden saß ein Mädchen, ein dunkelblondes Campbell-Mädchen von noch nicht sechzehn Jahren, und hielt ein blökendes Kalb, das hinter der Mutter herwollte, an den Beinen fest. Um ein Haar hätte Sandy Og sie niedergerannt.
    Das Mädchen schrie nicht, gab auch das Kalb nicht frei, sondern sah wortlos zu ihm auf. Endlich ließ Sandy Og die Axt sinken.
    Colins Rinder. Als Knabe hatte er das Lied geliebt. Es hatte nach der Mutter geklungen, nach den stillen Momenten, in denen sie allein ihm gehörte, ihn mit Buttermilch fütterte und vergaß, dass sie von ihm enttäuscht war. Später war er zu Ranald gegangen, um ihn zu fragen, was es bedeutete. Kommt von drüben, hatte der Alte gesagt und in Richtung des Moores gewiesen, das Glencoe von Glenlyon trennte. Da sind welche von uns rüber und haben sich schadlos gehalten, Colin Campbell, so hieß der Laird, dem haben sie die Gehörnten von den Weiden getrieben, das war damals nicht anders als jetzt. Kein Mann war zur Wache da, nur diese Maid, eines Hirten Liebste, die hat eins von den Kälbern gefangen und ihm die Hinterläufe gebrochen, damit keiner es ihr wegtreiben konnte. Vor dem Moor hat sie sich mit dem Kalb in den Armen niedergesetzt und sich geschworen, sitzen zu bleiben und das Kalb nicht herzugeben, bis ihr Liebster käme und es ihr nach Hause trüge.
    Und dann?
    Was weiß ich. Sind beide auf dem Moor verreckt, denk ich, Kind und Kalb. Aber bei den Campbells war die Kleine fortaneine Heldin; sie haben ihr das Lied gemacht, und uns gefällt’s eben auch, wenn ein Mädchen Mumm hat, ob sie eine Campbell ist oder nicht.
    Sandy Og erinnerte sich. Die Bilder aus seiner Kindheit waren allesamt verschwommen, aber hier und jetzt wusste er wieder genau, wie entsetzt er gewesen war: Wir haben nicht nur die Rinder aus Glenlyon, sondern sogar das Lied gestohlen?
    Ranald vom Schild hatte ihn angegrinst; schon damals hatte er kaum noch Zähne. So könnte man sagen, Herr Will-alles-wissen. Und jetzt machst du Faulpelz besser, dass du an deine Siebensachen kommst.
    Sandy Og brannten die Augen; er sah nicht klar. Wahrscheinlich saß vor ihm gar kein Mädchen und es blökte auch kein Kalb, er bildete sich alles ein wie das Rauschen in den Ohren. Aber das Rauschen hörte auf, es begann wieder zu regnen, und noch immer saß das Mädchen vor ihm. Nur das Kalb hatte sich losgerissen und war davongerannt.
    Das gestohlene Vieh wartete in Herden vor dem Moor, Colins Rinder, von denen zwei Drittel Schafe waren. Ein paar Männer wanderten zwischen Zerhauenem umher, um nach Brauchbarem zu suchen. Auch Sandy Og hob dieses und jenes auf, aber er erkannte kaum, was er in Händen hielt, und wusste nicht, wofür er sich mühte. Rücken und Schultern schmerzten, es fiel ihm schwer, sich niederzubeugen.
    Coll aus Keppoch kam, die Silberplatten unter den Arm geklemmt, mit seinem Kumpan, der die Kinderwiege ergattert hatte, auf Sandy Og zu und boxte ihn in den Bauch. »Musst dich nicht immer so zieren, Junge! Hast ja doch Mark in dir wie ein Bulle überm Kuharsch.«
    Sandy Og sah nicht ihn, sondern den anderen an, der die Wiege wie einen Säugling in den Armen hielt. »Weshalb machen wir’s eigentlich nicht wie die Sitheachan? Und

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