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Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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er von einer Zeit, in der er auf ihn nicht mehr angewiesen war. Doch als er nach Glenlyon gekommen war, waren die Ziele seiner Träume in ungreifbare Ferne entschwunden, als hätten gnadenlose Hände sie in einen leeren Himmel gestoßen.
    Glenlyon war kein Tal vor Samhuinn mehr, das sich hurtigdie Kammern füllte. Glenlyon war Heulen und Zähneklappern. Keines der Außengebäude besaß noch vier Wände, geschweige denn ein Dach, das die Wände hätten halten sollen. In Chesthills Vorratsräumen lagen ein paar aufgeschlitzte Säcke, das Korn daraus hatte Ratten und Krähen gesättigt; alles andere hatten Verbrecher verschleppt oder sinnlos in Trümmer gehauen.
    Angesichts der Scherben der wenigen hübschen Besitztümer, die ihm geblieben waren, schämte sich Rob nicht seiner Tränen. Welches Vieh in Menschengestalt brachte es fertig, ein schuldloses, dem Auge schmeichelndes Ding ohne Grund zu zerstören? Die Barbarei brachte ihn zum Weinen, bedrohlicher aber war, dass er kein Stück Vieh mehr besaß – kein Rind, keine Ziege, weder den goldenen Hengst, von dem Argyll ein Fohlen begehrte, noch die sechs trächtigen Stuten. Von den Herden von Schafen, dem künftigen Reichtum der Lochabertäler, war kein Schwanzstummel übrig.
    Die Tür wurde aufgeschoben, ohne dass jemand angeklopft hätte. Früher hätte er einem Diener dafür eigenhändig die Peitsche verabreicht, aber heute fehlte ihm die Kraft. Es fiel ihm schwer genug, den Kopf zu drehen.
    In der Tür stand kein Diener, sondern Helen, in den Armen ein Stapel Decken, auf ihnen ein Korb, aus dem eine Wurst ragte. »Das haben Pächterfrauen gebracht«, erklärte sie und sah an ihm vorbei zum Fenster, vor dem der Tag verblich. »Gott vergelt’s ihnen. Ich hätte nicht gewusst, was ich den Kindern zum Nachtmahl vorsetzen soll, und wie der Junge gestern gefroren hat, bekam ich’s mit der Angst, er stirbt mir weg.«
    Rob schüttelte sich. Wie erbärmlich das alles war! Der Herr von Glenlyon lebte von Almosen seiner Untergebenen, fütterte seine Söhne mit Krumen von Pächtertischen. Und wenn morgen keiner der Pächter mehr etwas entbehren konnte? Die kümmerlichen Höfe waren nicht weniger geplündert worden als das Gut ihres Lairds.
    »Ich weiß, was du denkst«, sagte Helen.
    » Du weißt, was ich denke?« Jetzt fuhr er doch herum, sprang sogar auf. »Wann hättest du das je gewusst, wann hättest du mich je verstanden? Ich dagegen weiß, was du denkst. Diese schwarzen Gedanken, mit denen du mich vernichten willst, ich kenne sie wie mein eigenes Herz!« Gleich darauf tat es ihm leid. Er sah sie in der Tür stehen, die traurige Last auf den Armen, und wünschte jäh, von ihr geliebt zu werden. Hatten sie nicht beide nur noch einander? Vielleicht hatte sie ihm sagen wollen, dass es auf ihrer Seite noch einen Verwandten gab, der helfend einspringen konnte, eine letzte Rettung, wie es damals Chesthill gegeben hatte.
    Er ging zu ihr, nahm ihr Korb und Decken ab, stellte beides zu Boden und breitete die Arme um sie. »Nein, Liebe, so mein ich es ja nicht. Ich bin gereizt, das wirst du verstehen, die Verantwortung nimmt mir die Luft.« Sie roch muffig wie dieses ganze Haus, und durch den Stoff ihres Kleides konnte Rob jeden ihrer Knochen spüren. Aber sie war seine Frau. Die Einzige, die ihn nicht verließ, jetzt, wo der Glanz erlosch.
    Helen machte sich in seinen Armen steif. »Deiner Reue bedarf es nicht, Rob. Du hattest recht. Du weißt, was ich denke.«
    Er erstarrte, hielt sie noch fest, weil er die Arme nicht von ihr lösen konnte. » Das kannst du nicht denken. Dass ich meine Ehre verschachere, kannst du nicht wollen!«
    »Kann ich nicht?« Sie befreite sich, trat einen Schritt zurück und lehnte sich gegen die Wand. »Was ist deine Ehre denn wert, Robert Campbell, wenn wir alle verreckt sind, wenn du ins Gedächtnis einziehst als der Laird, der sein Tal verhungern ließ?«
    »Aber das kann man doch mir nicht anlasten! Der MacIain …«
    Ihr Mund verzog sich. »Ach ja. Der MacIain. Sag, warum gehst du nicht zu dem, wenn du zu Argyll nicht gehen magst, und siehst zu, was du ausrichten kannst? Du könntest ihn bitten, mit dir zu würfeln. Weißt du’s nicht mehr? Deine Mutter hat damals mit ihm um die kleine Sarah gewürfelt, vielleichttut er’s mit dir um deine Schafe?« Leise lachte sie auf. Sie gehörte zu jenen humorlosen Menschen, deren Lachen gänzlich freudlos war. »Oh, ich vergaß – du verlierst ja immer.«
    Er durfte sie nicht schlagen, er hasste sich,

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