Glennkill: Ein Schafskrimmi
auf der Froschwiese, und seine Augen glänzten. Er erzählte, wie neidische Kobolde die Feen bei ihren Festivitäten mit Äpfeln bewarfen, und seine Augen wurden feucht. Er erzählte, wie der Koboldkönig im hohen Gras auftauchte. Der Koboldkönig, der die Toten aus ihren Gräbern holen und auf die Lebenden hetzen konnte. Da geschah etwas Ungewöhnliches. Mopple wurde unterbrochen.
»Ob es wirklich der Koboldkönig war?«, fragte Cordelia zaghaft. Alle Schafe wussten, dass sie von Georges Tod sprach. Mopple rupfte blitzschnell ein Büschel Gras.
»Oder Satan?«, ergänzte Lane.
»Unsinn«, schnaubte Ramses nervös. »Satan würde so etwas nie tun.«
Einige Schafe blökten zustimmend. Keines von ihnen traute Satan so eine Tat zu. Satan war ein betagter Esel, der manchmal auf der Nachbarwiese weidete und gelegentlich markerschütternde Schreie ausstieß. Seine Stimme war wirklich schrecklich, aber sonst war er ihnen immer harmlos vorgekommen.
»Ich glaube noch immer, dass dieser ›Gott‹ ihn umgebracht hat«, sagte Mopple mit vollem Mund. »Beth hat das auch gemeint.« Die Schafe hatten einen gewissen Respekt vor Beth, weil sie immer so viel Mühe in ein so zweifelhaftes Ding wie Georges Seele gesteckt hatte.
»Warum sollte er so etwas tun?«, fragte Maude.
»Gottes Wege sind unergründlich«, erklärte Cloud. Die anderen sahen sie erstaunt an. Cloud wurde klar, dass sie etwas Seltsames gesagt hatte. »Er sagt das selbst«, fügte sie hinzu.
»Dann lügt er!« Othello sah wütend aus. Die Augen der Mutterschafe glänzten bewundernd. Nur Miss Maple ließ sich nicht beeindrucken.
»In der Nacht, in der George gestorben ist, hatten wir da Flut oder Ebbe?«, fragte sie plötzlich. Eine Sekunde lang waren alle still. Sie dachten nach.
»Flut!«, blökten dann Mopple und Zora wie aus einem Munde.
»Wieso?«, fragte Maude.
Maple begann konzentriert auf und ab zu laufen. »Wenn man Georges Leiche über die Klippen geworfen hätte, hätte nie wieder jemand etwas von ihm gehört. Es hätte ihn davongespült, vielleicht bis nach Europa. Das wäre unergründlich gewesen. So aber konnte ihn jeder finden, es war sogar überhaupt nicht möglich, ihn nicht zu finden. Der Mörder wollte, dass George gefunden wird. Warum? Warum will man, dass etwas gefunden wird?«
Die Schafe dachten lange und angestrengt nach.
»Weil man jemandem eine Freude machen will?«, fragte Mopple zögernd.
»Weil man jemanden warnen will«, sagte Othello.
»Weil man jemanden an etwas erinnern will«, sagte Sir Richfield.
»Genau!« Miss Maple klang zufrieden. »Jetzt müssen wir herausfinden, wer sich freut, wer gewarnt ist und wer sich erinnert. Und an was man sich erinnert.«
»Das können wir nicht herausfinden«, seufzte Heide.
»Vielleicht doch«, sagte Miss Maple.
Ohne ein weiteres Wort begann sie zu grasen. Einen Moment lang schwiegen alle Schafe und dachten ein wenig ehrfürchtig an die große Aufgabe, die ihnen bevorstand.
Da blökte plötzlich ein Lamm vor Schreck und Empörung laut auf. Sara, seine Mutter, stimmte mit ihrem eigenen aufgeregten Blöken ein. Die Schafe sahen zu den beiden hinüber. Sara wand sich hin und her, als wolle sie sich ein lästiges Insekt aus dem Pelz schütteln. Neben ihr stand ihr Lamm und machte ein weinerliches Gesicht. Dann huschte etwas Kleines, Struppiges unter Saras Beinen hervor und sauste im Zickzack davon.
Der Halbling. Der Milchdieb. Das Winterlamm.
Es hatte den Moment allgemeinen Nachdenkens genutzt, um Saras Milch zu stehlen. Einige Mutterschafe blökten entrüstet.
Jedes Schaf weiß, dass ein Winterlamm für die Herde nichts Gutes bedeuten kann. Außerhalb der Zeit werden Winterlämmer in die Kälte hineingeboren, mit verdrehtem Charakter und einer boshaften kleinen Seele. Unglücksraben, die in der mageren Zeit die Räuber dazu verleiten, um frierende Schafsherden zu streichen. Gierig, rücksichtslos und kalt wie der Tag, an dem sie das spärliche Licht dieser Welt erblickten. Und nie hatte es ein schlimmeres Winterlamm gegeben als jenes, das seit vergangenem Jahr durch ihre Herde spukte. In der dunkelsten Nacht war es geboren. In der dunkelsten Nacht war seine Mutter gestorben. Sie hatten erwartet, dass dieses Lamm auch sterben würde. Aber es stolperte quäkend hinter der Herde her, die ihm unwillig auswich. Das ging zwei Tage so. Am dritten Tag hatten sie darauf gewartet, dass es endlich starb. Aber George machte ihnen mit einer Flasche Milch einen Strich durch die Rechnung. Als
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