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Glennkill: Ein Schafskrimmi

Glennkill: Ein Schafskrimmi

Titel: Glennkill: Ein Schafskrimmi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Swann
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Place stand und sie ansah. Normalerweise hätte Zora nicht weiter darauf geachtet. Beim Grasen war sie konsequent: Konzentration auf das Wichtige, sich nicht von jeder Kleinigkeit ablenken lassen. Aber irgendetwas an diesem Schaf kam ihr seltsam vor. Vielleicht sogar ein wenig bedrohlich. Zora hob witternd den Kopf, aber der Wind hatte gedreht und verriet ihr nichts. Sie sah genauer hin. Gewundene Hörner. Sir Ritchfield. Zora war erleichtert. Einen Augenblick lang hatte sie befürchtet … sie wusste nicht, was sie befürchtet hatte. Sie blökte freundlich zu Sir Ritchfield hinüber. Aber Ritchfield antwortete nicht. Zora erinnerte sich daran, wie schwerhörig Ritchfield in letzter Zeit geworden war, und blökte lauter.
    Ritchfield drehte den Kopf und sah zum Dolm hinüber.
    »Er ist weg, was?«, flüsterte er. Zora war überrascht, wie sanft Ritchfields Stimme klingen konnte, wenn er flüsterte. Normalerweise schnaubte und brüllte er, und je älter er wurde, desto schlimmer wurde es. Zora überlegte, wen er gemeint haben konnte. Den Meisterjäger? George? Auf einmal war sie sich sicher, dass er George gemeint haben musste.
    »Er kommt nicht wieder, was?«, insistierte Ritchfield.
    »Nein«, sagte Zora. »Er kommt nicht wieder.« Ihr war kalt in der Mondnacht. Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als wieder im Heuschuppen zu sein, dicht zusammengedrängt mit vielen anderen Schafen.
    »Und Ritchfield, der Narr, hat zugesehen«, sagte Ritchfield beinahe fröhlich. Zora starrte zu ihm hinüber. Sie hatte plötzlich das Gefühl, in einen Abgrund zu blicken, tiefer und wilder als der an den Klippen. Sie schloss kurz die Augen, um sich zu sammeln. Als sie sie wieder öffnete, war Ritchfield von seinem Platz verschwunden. Zora spähte umher. Zum Grasen hatte sie jetzt keine Lust mehr. Sie sah Ritchfield bei dem Dolm wieder auftauchen und trabte hinter ihm her. Es war Zoras Natur, die Abgründe dieser Welt zu erkunden.
    »Was meinst du mit ›zugesehen‹?«, flüsterte sie Ritchfield zu. Der sah sie erstaunt an.
    »Was?«, blökte er.
    »Was meinst du mit ›zugesehen‹?«, raunte Zora etwas lauter.
    »Lauter!«, blökte Ritchfield.
    Zora schüttelte den Kopf und trabte nachdenklich zu ihrem Felsen.
     
    *
    Wenig später kam Miss Maple beim Grasen ebenfalls an George’s Place vorbei. Seit er verboten war, zog George’s Place die Schafe auf eine geheimnisvolle Art an. Maple blickte auf und wollte gerade umdrehen, als sie etwas Ungeheuerliches sah.
    »Mopple!«, schnaubte sie.
    Mitten durch George’s Place führte eine frische Fressspur, breit und schamlos. Auf den zweiten Blick sah Maple, dass sie Mopple Unrecht getan hatte. Denn nicht alle Kräuter waren abgefressen. Mitten in der Verwüstung standen hoch, schlank und süß-duftend einige Nasenwohlblumen. Sie kitzelten beim Fressen angenehm in der Nase und gehörten zu den beliebtesten Kräutern überhaupt. Undenkbar, dass Mopple sie verschont hätte.
    Maple überlegte, welches Schaf der Herde keine Nasenwohlblumen mochte. Es fiel ihr niemand ein. Doch, halt, einmal war es ihr schon aufgefallen. Sie versuchte, sich besser zu erinnern. Ohne Erfolg. Sie ärgerte sich, dass sie nicht Mopples Gedächtnis hatte. Wenn ein Schaf absichtlich auf George’s Place gegrast hatte, war das eine ernste Sache. Es musste bedeuten, dass es nicht gerne an George zurückdachte. Es war wie eine Beleidigung.
    Miss Maple spähte umher. Nichts Auffälliges. Die meisten Schafe rupften noch rhythmisch über den Boden, nur einige wenige hatten ihre Köpfe gehoben. Miss Maple hatte keinen Hunger mehr. Das ungewohnte Futter zu nächtlicher Zeit lag ihr komisch im Magen. Sie beschloss, sich noch genauer mit der Aufklärung des Mordes zu befassen. Aber zuerst gab es einige praktische Sachen zu erledigen. Sie trabte zum Dolm.
    Kurze Zeit später sahen die Schafe sie zum Heuschuppen gehen, das Ding im Maul. Sie sah zufrieden aus und ein bisschen übermütig.
    »Was tust du da?«, fragte Cloud.
    »Es wird langsam Zeit, darüber nachzudenken, was wir tun, wenn wir den Mörder gefunden haben«, sagte Miss Maple.
    Sie lief weiter. Cloud folgte ihr bis zum Eingang des Heuschuppens. Dort blieb sie stehen. Maple verschwand im Dunkel. Als Miss Maple ohne das Ding wieder aus dem Heuschuppen kam, sah sie noch zufriedener aus. Ihre Augen glitzerten.
    »Das hätten wir!«, sagte sie.
    Die anderen Schafe schienen nicht besonders glücklich.
    »Sie hat mein Ding!«, blökte Heide.
    »Schlecht!«, sagte Willow,

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