Glennkill: Ein Schafskrimmi
Geruch der Erleichterung.
Am Schäferwagen war die interessante Diskussion über George und Othello inzwischen beendet.
»Haben sie den Wagen vielleicht durchsucht?«, fragte Tom.
»Nichts haben sie getan, überhaupt nichts. Keine Ermittlungen, keine Fragen. Vertuschen, vergessen und begraben, das ist hier die Devise. Sie stecken alle unter einer Decke, die Polizei und die Rauschgiftmafia. Alle gekauft!« In Toms Stimme klang etwas Enttäuschung darüber mit, dass sich niemand die Mühe gemacht hatte, ihn zu kaufen.
»So!« Der Dünne klang ärgerlich. »Und warum müssen wir dann unbedingt hier einbrechen, wenn sich sowieso niemand für das Zeug interessiert?«
Sie schwiegen. Harry trat halbherzig gegen die Tür. Im Inneren blieb es still. Tom öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Er wandte sich von den anderen beiden ab und wollte in Richtung Asphaltstraße davon. Dann erstarrte er.
»Ein Auto!«, fauchte Tom. Die Schafe hatten es schon längst gehört. Ein großes schnurrendes Auto ohne Lichter schlich sich die Asphaltstraße entlang. Es blieb stehen und hörte auf zu schnurren. Die drei Menschen brachen in Panik aus und rannten wie Hühner auseinander. Harry der Sünder schlug ein paar vorbildliche Haken, der Dürre hatte seine lange Figur eingeknickt, um besser rennen zu können. Die Schafe staunten. Bisher war ihnen nicht aufgefallen, wie schreckhaft Menschen sein konnten. Sie selbst waren stolz, weil sie trotz des Autos die Nerven behalten hatten. Dann entdeckten alle drei Männer gleichzeitig den Heuschuppen. Sie galoppierten darauf zu, stürzten sich hinein, an den verdutzten Schafen vorbei die Leiter hinauf auf den Heuboden.
Wie Milchtropfen spritzten die Schafe ins Freie, dem Menschen entgegen, der von der Asphaltstraße kam. Aber der Mensch beachtete sie nicht. Er schien sich auch nicht über das chaotische Kreuz-und-Quer verwirrt blökender Schafe zu wundern, das ihn auf der Weide erwartete. Ohne Eile ging er auf den Schäferwagen zu.
Nur sechs Schafe standen regungslos unterm Dolm. Maude hatte der allgemeinen Katastrophenstimmung widerstanden. Sie blieb weiterhin auf den Wolf über ihren Köpfen konzentriert. Er hatte sich flach gegen den Stein gepresst. Die Zwiebeln in seinem Magen gurgelten wild. Er atmete hastig. Maude verstand, dass auch der Meisterjäger Angst hatte.
Der Mensch am Schäferwagen trat nicht gegen die Tür. Er klopfte. Einmal kurz, zweimal lang, einmal kurz. Wartete. Dann machte er sich fast geräuschlos am Schloss zu schaffen. Das Herz des Meisterjägers klopfte jetzt wie das eines Schafes, wenn es die Kalziumtablette schlucken muss. Aber er bewegte sich nicht. Er wagte es nicht, sich zu bewegen. Ein feines, metallisches Klicken zirpte über die Weide wie der Ruf einer Grille. Doch die Tür blieb zu. Schließlich drehte sich der Mensch um und schritt wieder zum Feldweg hinauf.
Ein Motor summte.
Stille.
7
Natürlich passierten in dieser Nacht noch andere Sachen, aber so spektakulär wie die Ereignisse am Schäferwagen waren sie nicht. Der Mann auf dem Dolm verschwand lautlos, ohne mehr zurückzulassen als etwas Zwiebeldunst. Etwas später tauchten die drei anderen Männer verschüchtert aus dem Heuschuppen auf. Sie versuchten, leise zu sein, und waren laut. Schweigend machten sie sich zurück ins Dorf. Die Tür des Schäferwagens schien ihnen auf einmal egal.
Die Schafe beobachteten diese Vorgänge und blieben noch eine Weile wachsam. Irgendwann kehrte Ruhe ein. Sie standen wie verdutzte blaue Wolken wild über die Wiese verstreut. Othello gab eine schwarzblaue Gewitterwolke ab. Ein Luftzug fächelte behutsam ihre Angst fort. Trotzdem war an Schlaf nicht mehr zu denken. Sie bogen ihre Hälse und begannen zu grasen.
Im Dunkeln ließ es sich erstaunlich gut grasen. Nachtinsekten zirpten ihnen appetitanregend aus dem Gras entgegen, und alles duftete nach feuchten Kräutern. Warum hatten sie sich bisher dieses Vergnügen entgehen lassen? George war schuld. George hatte darauf bestanden, dass sie Nacht für Nacht in diesem langweiligen Heuschuppen zubrachten, während draußen die Welt ein so appetitliches Spektakel abgab. Er war ein schlechter Schäfer gewesen. Er hatte von der Kunst des Grasens nicht die geringste Ahnung gehabt.
Wenn jemand etwas vom Grasen verstand, dann waren sie es. Natürlich gab es unzählige Kontroversen, aber das machte die Sache nur interessanter. Miss Maple bevorzugte Süßklee und Blumen, Cloud mochte Gräser mit trockenen, aber würzigen
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