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Glennkill: Ein Schafskrimmi

Glennkill: Ein Schafskrimmi

Titel: Glennkill: Ein Schafskrimmi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Swann
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einmal auf die Zehenspitzen stellen musste.
    »Was jetzt?«, fragte Tom.
    »Wir brauchen das Gras«, sagte Harry. »Wir brechen die Tür auf.«
    »Bist du verrückt?«, sagte Josh. »Das mache ich nicht. Das ist kriminell!«
    »Aber Beweismaterial auf die Seite schaffen ist legal, was?«, höhnte Harry. »Wenn sie hier Rauschgift finden, ist es vorbei. Kein Elfendolm. Kein Ponyreiten. Kein Keltenkulturzentrum. Keine Whiskeyspezialitäten. Und dein Küstenhotel kannst du dir auch abschminken!«
    »Vielleicht gibt es gar kein Rauschgift«, sagte Josh.
    »Was sonst? Wie hat sich der alte George denn die ganze Zeit über Wasser gehalten? Mit seinen traurigen paar Schafen? Dass ich nicht lache! Ging es ihm schlecht? Wollte er vielleicht verkaufen? Er hat dir ins Gesicht gelacht, als du ankamst mit deinem Geld. Hat diese Aussicht lieber an seine Schafe verschwendet, und jetzt, wo er endlich tot ist, soll Glennkill als Rauschgiftnest in die Zeitung?«
    Den Schafen zitterten vor Empörung die Knie.
    »Harry hat Recht, Josh.« Tom schwankte aus Gewohnheit ein bisschen hin und her. »Er hat Touristen mit Mist beworfen, er hat niemanden hierher gelassen und sogar mit einer Pistole herumgeballert, um uns Angst zu machen. Warum, frage ich dich? Er hätte aus dem Land eine Goldgrube machen können. Weil das Land schon eine Goldgrube war, das ist die Antwort. Nachts Boote am Strand, dann das Zeug weiter in den Schäferwagen und am nächsten Tag mit seiner alten Kiste nach drüben.«
    Josh schüttelte weiter den Kopf.
    Aber Tom hatte sich in Eifer geredet und schrie über die nächtliche Wiese. »Glaubt bloß nicht, dass George ein Unschuldslamm war. Kinder haben ihn abends gesehen – mit einem schwarzen Widder. Pervers! Ich möchte nicht wissen, was wir da drin noch alles finden!«
    Weiße Köpfe erschienen an der Tür des Heuschuppens. Jedes Schaf auf der Weide hörte jetzt gespannt zu. Und nicht nur die Schafe. Maude hatte schon längere Zeit unruhig die Luft eingesogen. Die bestrumpften Männer konnte sie von hier aus nicht riechen, die Gerüche der Nacht hatten sich gnädig über den Nervositätsschweiß der Eindringlinge gelegt. Trotzdem glitt bei jedem Atemzug eine Ahnung von Menschengeruch an ihr vorbei, Verdauung von Gekochtem, kaum wahrgenommen und nur halb bewusst. Sie hatte die Schuld zuerst dem Ding gegeben. Aber das Ding lag am Boden. Der Menschengeruch hingegen sickerte von oben herab.
    Sie streckte den Kopf in die Höhe und witterte. Jetzt war sie sich sicher. Jemand lag auf dem Dach des Dolmengrabes.
    Ein Meisterjäger, das war Maude sofort klar. Ihr Nacken kribbelte, eine nie gelebte Erinnerung von engen felsigen Schluchten und kauernden Räubern stieg in ihr auf. »Wolf!«, dachte sie.
    »Wolf!«
    Wenn ein Schaf »Wolf« denkt, sollte es eigentlich blöken und rennen, so schnell die Schafsbeine tragen. Aber Maude blieb stehen. Der Feind war zu nah, und jetzt, nachdem sie ihn erkannt hatte, umschloss sie sein Geruch von allen Seiten. Er kam nicht näher, er war schon da. Sie wusste nicht, was zu tun war. Wie hypnotisiert blieb sie stehen und sog weiter hilflos die Luft ein.
    Es ist erstaunlich, wie mühelos die Angst von Schaf zu Schaf springen kann. Maude hatte sich nicht bewegt und keinen Laut von sich gegeben. Trotzdem wussten sofort alle fünf Schafe von dem Wolf. Maudes hastige Atemzüge sagten ihnen, wie nah der Feind war, Maudes Geruch war salzig geworden, seine bitteren Untertöne sprachen von Flucht und Hinterhalt. Ihre Herzen galoppierten pochend in alle Himmelsrichtungen. Doch weil Maude sich nicht bewegte, blieben auch die anderen Schafe reglos stehen. Maude war ihr Warnschaf, sie wusste am meisten von der Gefahr. Was sie tat, würden alle Schafe tun.
    Maude war sich ihrer Verantwortung bewusst. In ihrer Unfähigkeit zu fliehen, versuchte sie wenigstens, den Jäger auf dem Dach so gut wie möglich auszuwittern: der Geruch von Rauch.
    Ein Mensch, so viel war klar. Er hatte vor kurzem Zwiebeln gegessen. Nur dank der Zwiebeln war sie anfangs auf ihn aufmerksam geworden. Maude hörte, wie sich der Magen des Menschen um die verräterischen Zwiebeln zusammenzog.
    Am Schäferwagen trat der Dünne wieder gegen die Tür. Es gab ein kleines, ängstliches Geräusch, vielleicht war es der Lichtstrahl, der im Inneren saß und sich fürchtete. Der Mann auf dem Dolm spannte sich an. In diesem Moment wusste Maude, dass der Mensch nicht sie jagte, sondern die drei Männer am Schäferwagen. Maude verströmte einen

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