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Glennkill: Ein Schafskrimmi

Glennkill: Ein Schafskrimmi

Titel: Glennkill: Ein Schafskrimmi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Swann
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möglich einzunehmen. Sie aß nichts, aber manchmal bewegte sie ihre Hand zur Brust und schloss sie dort um einen kleinen, glitzernden Gegenstand. Wenn sie dies tat, wackelte das Mayonnaisetöpfchen.
    »Glaube«, seufzte sie jetzt. »Glaube ist nie einfach.«
    »Der eigene Glaube nicht. Der Glaube der anderen – sehr.«
    Die fremde Frau lachte. Ein zweites Scone empfing die Sahnetaufe.
    »Nehmen Sie doch!«, sagte die Frau.
    Beth schüttelte stumm den Kopf. Ihre Augen wanderten zum Dolm.
    »Sie sollten essen«, sagte die Frau, »es ist gut. – Sie essen wohl auch sonst nicht viel«, fügte sie mit einem Blick auf Beths dürre, haarige Arme hinzu.
    »Nein«, sagte Beth mit fester Stimme, »ich esse auch sonst nicht viel. Ich wohne neben einem Take-Away. Wenn man jeden Tag sieht, wie die Menschen sich sinnlos voll stopfen, statt sich um ihr Seelenheil zu kümmern, vergeht es einem.«
    Die Frau blieb unbeeindruckt und biss herzhaft in ihr Scone.
    »Wissen Sie, was wirklich seltsam ist?«, fuhr sie fort, ein bisschen undeutlich, weil sie ihr Scone noch nicht zu Ende gekaut hatte. »Wissen Sie, wann die Leute glauben, dass alle Welt hierher kommt? Man muss ihnen einreden, dass es einsam ist! Das überzeugt sie. Einsamkeit ist etwas, was sie alle suchen. Wenn etwas einsam ist, müssen einfach viele Leute kommen, um es zu genießen.«
    Beth starrte verständnislos geradeaus. Das Mayonnaisetöpfchen wackelte. Maude dachte darüber nach, wie unangenehm Beth roch. Scharf und süßlich. Sie roch nach langem Hunger. Sie roch nach frühem Tod. Sie verdarb Maude das Geruchsvergnügen, das von der bunt karierten Decke aufstieg.
    »Ich verstehe allerdings gar nicht, warum Sie sich Sorgen machen.« Die rote Frau schien es nicht zu stören, dass Beth stank und schwieg. »Hier ist es doch absolut traumhaft. Jeder würde sich hier wohl fühlen.«
    »Ich nicht«, sagte Beth. »Niemand aus Glennkill würde sich hier wohl fühlen. Es sind schreckliche Dinge passiert. Ich sollte das nicht sagen, ich sollte Sie ja überzeugen. Aber ich sage es trotzdem. Ich lasse mich nicht mehr einschüchtern. Der Herr steht mir bei.«
    »Schreckliche Dinge?«, fragte die Frau unbekümmert. »Umso besser. Die Menschen lieben schreckliche Dinge. Ein Heiliger wurde von Heiden gefoltert? Wunderbar! Ein Heide wurde von Heiligen ins Meer gestürzt? Noch besser! Wenn es um Verbrechen geht, kann man in der Tourismusbranche kaum etwas falsch machen.«
    Die rote Frau hatte keine Probleme mit Worten. Cordelia hörte ihr bewundernd zu. Die Frau steckte voller Geschichten.
    Beth gluckste. Es klang wie ein unterdrücktes Kichern, aber wer in Beths Gesicht sah, konnte ahnen, dass es ein verzweifelt verborgenes Schluchzen gewesen sein musste.
    Die Frau bemerkte es und wurde ernst. »Ach, Sie meinen den Mord? Entschuldigen Sie, ich wusste nicht, dass es hier passiert ist.« Sie legte ihr angebissenes Butterscone zurück auf die Decke.
    »Es ist hier passiert«, sagte Beth mit Grabesstimme. Wieder wackelte das Mayonnaisetöpfchen.
    »Ein Verwandter von Ihnen? Ein Freund?« Die Stimme der Roten klang jetzt sanft.
    Beth schüttelte sich. »Kein Verwandter. Ganz sicher kein Freund. Er hätte gelacht bei dem Gedanken. Er hat immer über mich gelacht. Aber wir waren zusammen auf der Schule, auf der Grundschule hier im Dorf. Es war ein furchtbarer Tod, ein heidnischer Tod.«
    »Ich habe in der Zeitung davon gelesen«, sagte die rote Frau nachdenklich. »Mit einem Spaten. Nicht schön. Um die Touristen müssen Sie sich trotzdem keine Sorgen machen. Aber eine Verhaftung wäre natürlich gut. Gibt es denn schon einen Verdächtigen?«
    Die Rote griff nach dem Tomatensalat. Ein lautloser Seufzer ging durch die Schafsherde. Für den Tomatensalat interessierten sie sich mehr als für alle anderen Dinge auf der Decke. Sie hatten gehofft, dass sich die Frau an Scones überfressen und den Tomatensalat unabgeweidet zurücklassen würde. Jetzt sah es schlecht aus.
    »Manche sagen, es ging um Geld oder um Drogen oder noch schlimmere Dinge.« Beth errötete. »Aber das ist nicht das Schrecklichste. Das Schrecklichste ist, dass hier in Glennkill ein Mensch herumläuft …« Ihre Stimme schnappte in eine höhere Tonlage, so dass sie eigentlich gar nicht mehr nach Beth klang. Die Schafe zuckten zusammen und schlackerten nervös mit den Ohren. »Von außen ein Mensch wie alle anderen auch, aber innen ein wildes Tier, zerfressen von einer solchen Krankheit der Seele, einer solchen Gottlosigkeit,

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