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Glennkill: Ein Schafskrimmi

Glennkill: Ein Schafskrimmi

Titel: Glennkill: Ein Schafskrimmi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Swann
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»Es müssen furchtbare Hunde sein, wenn sogar die Menschen vor ihnen Angst haben. Vielleicht war der Wolfsgeist in Wirklichkeit ein Hund des Teufels.«
    Bei dem Gedanken an den Wolfsgeist kroch den Schafen trotz sonnigem Weidewetter eine neblige Furcht in die Wolle. Unwillkürlich drängten sie sich näher zusammen. Cloud begann, ängstlich zu blöken.
    Nur Maude machte ein spöttisches Gesicht. » Groß müssen die Hunde des Teufels ja nicht unbedingt sein«, sagte sie, »wenn man sich überlegt, wie klein die Menschenseelen sind. Nicht höher als ein Schafsknie – allerhöchstens – würde ich sagen. Dafür reicht schon ein sehr kleiner Hund aus.«
    Die Schafe dachten an den kleinsten Hund, den sie je gesehen hatten. Er war etwa so groß wie eine große Rübe gewesen, mit goldenem Fell und platter Nase, und hatte die Schafe vom Arm einer Touristin aus angekläfft. Sahen so die Hunde des Teufels aus? Oder der Wolfsgeist? Die Schafe entspannten sich. Vor solchen Hunden mussten sie sich nicht fürchten.
    Miss Maple schüttelte ungeduldig den Kopf.
    »Wichtig ist, dass die Menschen glauben, ihre Seelen wären groß«, sagte sie. »Beth hatte Recht. Die Menschen müssen sich die Hunde des Teufels groß und schrecklich vorstellen. Warum also hatten sie nicht zu viel Angst, um den Spaten in George hineinzustecken?«
    Die Schafe überlegten erfolglos.
    Maple dachte weiter nach. »Wir wissen jetzt, warum niemand Georges Schreie gehört hat: Weil er nicht geschrien hat. Weil er schon tot war, als der Spaten in ihn gesteckt wurde. Darum das friedliche Gesicht. Darum so wenig Blut auf der Weide.«
    Die Schafe staunten. Jetzt, wo Miss Maple es sagte, lag es vor ihnen, klar wie eine saubere Pfütze.
    Miss Maple schlackerte mit den Ohren, um einige aufdringliche Fliegen zu verscheuchen. »Aber das erklärt noch gar nichts. Das ist nur ein neues Rätsel. Bisher haben wir immer gedacht, der Spaten war da, um George zu töten. Aber warum steckt jemand einen Spaten in George, wenn der schon tot ist?«
    Betretenes Schweigen. Wie konnte ein Schaf die Antwort auf eine so schwierige Frage finden? Aber Miss Maple schien gar nicht entmutigt, sie trabte wieder munter auf und ab.
    »Jetzt gibt es natürlich neue Möglichkeiten. Vielleicht gibt es zwei verschiedene Mörder – einen, der George vergiftet hat und einen anderen, der dachte, er würde George umbringen, mit dem Spaten. Oder der Spaten war da, um den richtigen Mord zu vertuschen. Aber für mich …«, Miss Maple machte eine Pause und rupfte ein paar Gänseblümchen, »sieht der Spaten aus wie eine Dummheit. Wie etwas, was ein paar Lämmer zusammen aushecken. Vielleicht hatte der Mörder nur Mut für den Spaten, weil er nicht alleine war.«
     
    Später, als die anderen Schafe sich grasend auf der Weide zerstreut hatten, stand das namenlose Lamm noch immer wie festgewurzelt am Ort der Schafsbesprechung. Es hatte – sicher in Clouds weiche Wolle geschmiegt – alles mit angehört. Anfangs war es ihm mehr um die Wärme gegangen. Aber dann hatte es doch zugehört. Tief in Clouds Wolle hatte es angefangen zu zittern. Es hatte sich Mut gewünscht, sehr viel Mut, genug, um vor all den alten erfahrenen Schafen ein zweites Mal zu sprechen. Aber hätten sie ihm geglaubt? Hätten sie ihm überhaupt zugehört? Am Ende hatte es sich doch nicht getraut.
    Es hatte ihnen sagen wollen, dass alles falsch war. Dass Miss Maple, das klügste Schaf von ganz Glennkill und vielleicht der Welt, einen schrecklichen Fehler gemacht hatte.
    Denn der Wolfsgeist war nicht golden. Der Wolfsgeist war grausig und zottig und grau. Das Lamm wusste, dass man den Wolfsgeist nicht vergessen durfte, auch nicht klein sprechen. Der Wolfsgeist jagte weiterhin durch die wilden Hügel jenseits der Weide. Abends, wenn der Mond schon aufgegangen, der Himmel aber noch nicht verblasst war und alle Dinge ihren tiefsten und ehrlichsten Geruch von sich gaben, konnte man ihn spüren. So wie man selbst bei geschlossenen Augen die Dunkelheit spüren konnte. Es war falsch, den Wolfsgeist im Kopf zu bekämpfen, wenn er doch dort draußen war. Das Lamm dachte daran, wie der Wolfsgeist am Dolm seine schwarzen Schwingen ausgebreitet hatte, und hörte zum zweiten Mal seinen heiseren Schrei.
    Um es herum grasten friedlich die anderen Schafe.
     
    *
    Doch wer genauer hinsah, konnte bemerken, dass der Frieden auf der Weide trog. Dass sich langsam aber sicher ein kleines Grüppchen besonders verwegener Schafe hinter dem Schäferwagen

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