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Glennkill: Ein Schafskrimmi

Glennkill: Ein Schafskrimmi

Titel: Glennkill: Ein Schafskrimmi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Swann
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Sprechen viel leichter zu fallen.
    »Aber weißt du was?«, sagte er. »Wir waren nicht die Einzigen. Da war noch jemand. Ein Fremder. Einer von den Drogenleuten, wenn du mich fragst. Es ist also doch was dran. Wenn die es vor uns finden …«
    Wieder flog eine Elster über Gabriel und Josh. Ob es dieselbe war, konnte man natürlich nicht sagen. Sie drehte eine elegante Kurve und landete keckernd auf dem Dach des Schäferwagens.
    »Die finden es nicht«, sagte Gabriel. »Die wissen überhaupt nichts von der Kassette. Denen geht es doch nur um ihren Stoff. Außerdem bin jetzt ich hier. Du solltest im Wirtshaus ein bisschen dafür sorgen, dass sich die Leute beruhigen.«
    Josh nickte enthusiastisch. Die Schafe verstanden ihn gut. Es machte einfach Freude, Gabriel einen Gefallen zu tun.
    »Gabriel?« Josh hatte sich wieder zum Gehen gewandt, drehte sich aber noch einmal um.
    Gabriel schob seine Pfeife vom rechten in den linken Mundwinkel und sah Josh fragend an.
    »Geschickt hast du das gemacht.« Josh machte eine weit ausladende Handbewegung, die Gabriel, den Schäferwagen, die Schafe und die ganze Weide einfing und in einem Punkt zusammenzog.
    Gabriel nickte. »Die Schafe brauchen ein bisschen Aufsicht, zumindest so lange, bis das Testament draußen ist. Auf der Verwaltung waren sie mir richtig dankbar. Tierschutz. Hygieneverordnungen, der ganze Kram. Und für meine eigenen spar ich mir so das Futter.« Er lächelte ein gewinnendes Lächeln.
    »Und natürlich kann ich hier« – er klopfte mit der Hand auf die Stufen des Schäferwagens – »so lange sitzen, wie ich will.«
    Josh grinste erleichtert. Er nickte Gabriel zum Abschied zu, schwang sich auf sein Fahrrad und verschwand klappernd Richtung Dorf.
    Kaum war Josh hinter der Biegung des Feldweges verschwunden, senkte sich Gabriels braune Hand auf die oberste Stufe des Schäferwagens. Aber sie tastete vergebens. Der Schlüssel lag nicht mehr da. Der Schlüssel klimperte und funkelte Gabriel von hoch oben auf dem Dach des Schäferwagens aus dem Schnabel einer Elster an.
     
    *
    Unter Gabriels Aufsicht waren die Schafe ehrgeizig wie lange nicht mehr. Sie weideten gewissenhaft mit langen, geraden Schritten, sie bogen graziös ihre Hälse nach oben, sie waren »gute Futterverwerter« und fraßen sogar mit Vergnügen das trockene, weniger schmackhafte Gras. Selbst wenn sie sich im Schatten des alten Heuschuppens ausruhten, hielten sie ihre Köpfe hoch und beobachteten Gabriel aus den Augenwinkeln. Gabriel beobachtete sie nicht. Gabriel sprang wie ein übermütiges Jungschaf hinter einer Elster her, von Busch zu Baum, von Baum zu Strauch, kreuz und quer über die Weide …

9
    »Zum Beispiel Glendalough«, sagte die fremde Frau. »Da zieht sich so ein Heiliger in die Einsamkeit zurück, und sobald die Leute dahinterkommen, kann er sich kaum noch vor Pilgern retten. Der größte Wallfahrtsort des Mittelalters, und warum? Menschen sind Herdentiere. Man muss sie glauben lassen, dass alle Welt hierher kommt, und wenn sie es glauben, dann kommt wirklich alle Welt. So einfach ist das.« Sie biss in ihr Butterscone und lächelte gleichzeitig. Ihr Kleid war rot wie Beeren im Herbst. Vor ihr lag ein ganzer Korb Butterscones, gegen die Fliegen säuberlich mit einer Serviette bedeckt, aber die Schafe rochen sie trotzdem. Die Frau tunkte ihr Scone erst in halbflüssige Sahne, dann in rote Marmelade. Sie schenkte sich Tee aus einer Kanne in eine Plastiktasse, warf zwei Würfel braunen Zucker dazu und goss nochmals Sahne darauf. Scones, Marmelade, Tee, Zucker und Sahne waren auf einer riesigen bunt karierten Decke verteilt. Außerdem gab es dort eine Flasche Orangensaft, Butterkäse, Teegebäck, Toastbrot, ein Töpfchen Mayonnaise und einen Tomatensalat mit Petersilie. Die Decke selbst bedeckte ein kleines Stück Schafweide, nah bei den Klippen, glücklicherweise dort, wo die interessanten Kräuter schon abgeweidet waren. Die grellen Farben erschreckten die Schafe. Sie waren ohnehin nervös, weil Gabriel sie nach seinem Sommertanz im Gefolge der Elster allein gelassen hatte.
    Ungeahnte Düfte wehten über die Weide und umschmeichelten die Nüstern. Die Schafe hielten sich in sicherer Entfernung, aber sie spähten mit unverhohlener Gier auf den Korb mit den Scones und auf den Tomatensalat.
    Am Rand der Decke saß die barmherzige Beth, ein schwarzer Haufen Unbehaglichkeit mit schmalen Handgelenken und makelloser Frisur, und bemühte sich, mit ihrem bauschigen Rock so wenig Platz wie

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