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Glennkill: Ein Schafskrimmi

Glennkill: Ein Schafskrimmi

Titel: Glennkill: Ein Schafskrimmi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Swann
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einer solchen Verzweiflung …«
    Beth starrte der Fremden in die Augen, und die Fremde starrte einen Moment lang furchtlos zurück. Dann steckte sie ihre Gabel in die Schüssel mit dem Tomatensalat und zog eine winzige, ganze Tomate hervor. Die Schafe staunten. Noch nie hatten sie so kleine Tomaten gesehen. Selbst die mickrigen Tomaten in Georges Gemüsegarten (George hatte nie besondere Erfolge mit der Tomatenzucht erzielt) waren Riesen im Vergleich zu dieser Babytomate. Aber sie duftete wie eine große. Duftete – und verschwand mit beängstigender Geschwindigkeit zwischen den makellosen Zähnen der roten Frau.
    Jetzt, da Beth einmal mit dem Reden angefangen hatte, war sie nicht mehr zu bremsen.
    »Verstehen Sie, das ist kein praktischer Mord. Keiner von denen, die man im Fernsehen sieht. Wo es um Geld geht oder Macht. Ich habe so lange darüber nachgedacht. Ich spüre das einfach. Ich verteile diese Heftchen, wissen Sie, wunderbare Texte über die Gute Nachricht, und wenn man das lange genug tut, bekommt man ein Gespür für die Menschen. Sie mögen mich auslachen, aber ich habe das Gespür.«
    Beths Stimme, die gar nicht mehr klang wie Beths Stimme, zitterte. Die Hand der Frau, die gerade eine Gabel mit zwei kleinen Tomaten zum Mund führte, zitterte nicht.
    »Ich könnte Ihnen Sachen erzählen … Das ist ein Mord, bei dem es um Seelen geht, so viel kann ich sagen. Um Schuld. Wer auch immer es getan hat, er wusste, was richtig und was falsch ist, aber er hatte nicht die Kraft, das Richtige zu tun. Das ist so schrecklich, wenn man nicht die Kraft hat, das Richtige zu tun, so schrecklich, dass man sich die eigene Schwäche herausschneiden möchte, mit einem Messer. Einem Messer … Aber die Schwäche bleibt, und irgendwann sieht man keine Möglichkeit mehr, als das Starke zu zerstören. Zerstören, was man nicht erreichen kann – das ist die schlimmste Sünde des Menschen. Gott steh mir bei.«
    Beth hatte direkt in den Himmel hineingesprochen, mit erhobenem Kopf, so als hätte sie die rote Frau völlig vergessen. Aber jetzt sahen sich die beiden wieder an. Die Augen der Frau waren schmal, eine Gabel mit zwei weiteren Babytomaten schwebte vergessen vor ihren roten Lippen. Beths Augen waren rund und weit geöffnet wie Kinderaugen. Sie lächelte traurig. Die Schafe vergaßen für eine Sekunde die Tomaten. Eine lächelnde Beth hatten sie noch nie gesehen. Hübsch sah sie aus. Besser jedenfalls.
    »Ich kann mir denken, dass Ihnen das seltsam vorkommt, schließlich habe ich das Gespür.«
    Die Rote schüttelte den Kopf. Sie wollte etwas sagen. Aber Beth ließ sie nicht zu Wort kommen. Beth, die jemanden nicht zu Wort kommen ließ, war eine völlig neue Erfahrung.
    »Sehen Sie, ich habe mit der Polizei gesprochen. Ich war die Einzige, übrigens. Können Sie sich das vorstellen: ein ganzes Dorf – und ich bin die Einzige, die nachfragt. Wir werden hier alle am Schweigen ersticken.« Beth holte tief Luft.
    »Die Polizei also. Sie sagen, dass George zuerst vergiftet wurde. Ganz friedlich ist er eingeschlafen. Dann erst der Spaten. Nachdem er schon tot war, verstehen Sie? Warum, kann man sich fragen, und die Kriminalpolizei aus der Stadt denkt sich wahrscheinlich nicht so viel dabei. Aber ich bin jahrelang mit meinen Heften von Tür zu Tür gegangen. Ich weiß, was für Heiden diese Menschen hier im Grunde sind.«
    Zwei rote Lippen schlossen sich um zwei ebenso rote Tomaten.
    »Wissen Sie, es gibt einen alten Aberglauben. Wenn jemand gestorben ist, darf man seiner Leiche in der ersten Stunde nicht zu nahe kommen. Es heißt, dass die Hunde des Teufels dort Wache halten, um die Seele des Toten zu verschlingen. Und Georges Seele war des Teufels, o ja! Können Sie sich vorstellen, was für ein Grauen dieser Verlorene gefühlt haben muss, an der Leiche, mit dem Spaten? Was es braucht, um dieses Grauen zu überwinden? Sie sagen, der Mord hat keine Bedeutung für den Tourismus. Aber ich spüre, dass Glennkill erst wieder leben kann, wenn dieses schwarze Schaf unsere Herde verlassen hat.«
    Beth stand abrupt auf, mit überraschend fließenden Bewegungen. Othello sah ihr böse zu. Einmal auf ihren zwei Hinterbeinen, verlor Beth den kleinen Anflug von Eleganz, so schnell er gekommen war.
    »Wenn Sie Fragen haben – über den Tourismus, meine ich –, kommen Sie doch bitte in das Pfarreibüro. Täglich zehn bis zwölf, mittwochs ab neun.«
    Sie wollte sich umdrehen, aber die Rote fasste sie sanft am Ärmel. Ihre Augen waren noch

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