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Glennkill: Ein Schafskrimmi

Glennkill: Ein Schafskrimmi

Titel: Glennkill: Ein Schafskrimmi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Swann
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kleine Wolke Dunkelheit neben der Marmorsäule. Maple blökte ihm aufmunternd zu, aber Othello schüttelte den Kopf.
    »Ich bleibe«, sagte Othello. Maple klappte neugierig ihre Ohren nach vorne. Doch Othello machte nur ein geheimnisvolles Gesicht, und im nächsten Augenblick war er im Schatten der Hecken verschwunden. Miss Maple wäre ihm gerne gefolgt, aber Mopple the Whale roch verwirrt, nach Augentränen und Kniezittern, und sie wollte ihn jetzt nicht alleine lassen. Gemeinsam trabten sie zurück Richtung Weide.
    Mopples Augen waren noch ein bisschen glasig. Maple trabte munter wie lange nicht neben ihm her.
    »Das war interessant«, sagte sie. »Möchtest du nicht auch gerne wissen, was vor sieben Jahren passiert ist?« Sie überlegte. Sieben Jahre. Eine ungeheuer lange Zeit. Maple war das klügste Schaf von ganz Glennkill, aber sich sieben Jahre vorzustellen, das schaffte sie doch nicht. Sie versuchte es mit sieben Sommern. Keine Reaktion. Sieben Winter? Wirklich erinnern konnte sie sich nur an den letzten Winter, als George einen alten Teppich vor die Tür des Heuschuppens genagelt hatte, um sie vor dem kalten Wind zu schützen. Davor gab es noch einen Winter und davor noch einen. Die Spur der Winter verlor sich im Dunkel.
    Mopple war inzwischen seinen eigenen Gedanken nachgegangen.
    »Der Metzger war’s!«, ächzte er.
    »Warum?« Maple sah Mopple besorgt an. »Weil er eine Überwachungskamera hat? Wir wissen nicht einmal, was eine Überwachungskamera ist.«
    Mopple machte ein trotziges Gesicht.
    »Niemand mag den Metzger«, überlegte Maple weiter. »Aber trotzdem hatten die Männer unter der Linde Angst vor seinem Tod.« Sie schüttelte den Kopf. »Es gibt so viel Angst hier. Alle Menschen haben Angst. Es ist ein Wunder, dass George so wenig Angst hatte.«
    »Aber sie wollten ihm Angst machen«, sagte Mopple. »Mit Stroh.« Er schüttelte den Kopf über so viel menschlichen Unverstand. Es gab viele furchtbare und schreckliche Dinge auf der Welt, aber Stroh gehörte sicher nicht dazu.
    Maple nickte. »Eine Warnung.« Ein Gedanke kam ihr, und sie blieb stehen. Mopple sah sie fragend an.
    »Mopple«, sagte Maple, »wenn so eine kleine erstochene Figur eine Warnung für George sein sollte, könnte es dann nicht sein, dass ein erstochener George eine große Warnung für jemand anderen ist?« Mopple sah ratlos drein, aber Maple erwartete nicht wirklich eine Antwort. Sie war mit ihren Gedanken schon wieder weiter.
    »Und die Kinder hatten Angst vor George. Warum? Wieso alle Kinder? Was war so furchtbar an George, dass sich so viele vor ihm fürchten konnten?«
    »Mopple«, sagte sie, »merk dir ›Koboldkönig‹.«
    »Koboldkönig«, schnaufte Mopple.

11
    Das Haus Gottes zu finden war kein Problem für Othello: das größte im Dorf, hoch und spitz – genau wie Cloud es gesagt hatte. Schwieriger schien es schon, sich an Gottes Haus heranzuschleichen. Anders als alle anderen Häuser war es von vorne beleuchtet. Nur unter dem Türbogen gähnte ein Schatten. Othello lauschte. Irgendwo in der Ferne winselte ein Hund, und Musik spielte dazu. Sonst nichts. Othello trabte zügig über den hellen Hof. Zwei lange Schafsschatten trabten neben ihm her, ein dritter, längerer, sehr blasser folgte. Sogar zu viert machten sie kaum ein Geräusch.
    Im Schatten der Tür war Othello dann wieder allein. Er witterte. Draußen roch es nach Straße, Auto und samtiger Sommernacht, aus dem Inneren kamen kühle, herbe und nüsternkitzelnde Gerüche durch die Ritzen ins Freie gekrochen.
    Kein Mensch, überhaupt kein Lebewesen.
    Oder?
    Wenn du anfängst, dir zu trauen, solltest du damit aufhören, flüsterte die Stimme in seinem Kopf. Othello witterte noch einmal.
    Ein oder zwei Mäuse vielleicht. Sicher nichts Größeres. Nur die Tür selbst machte ihm Sorgen. Höher und breiter als alle anderen Türen, die er je gesehen hatte. Die Griffe waren so hoch, dass er selbst auf die Hinterbeine gestellt mit den Vorderfüßen nicht herankommen konnte. Es sah aus, als würden hinter dieser Tür Riesen hausen. Gott war groß, dachte Othello, aber so groß war er nun auch wieder nicht.
    Vielleicht konnte er sich am Griff festbeißen? Er stemmte die Vorderbeine gegen die Tür und machte den Hals lang. Die Tür gab nach. Nicht viel, aber es reichte, um es Othello zu verraten: Die Tür war offen und die Türgriffe überflüssig.
    Er ließ sich wieder auf alle vier Beine herab und senkte den Kopf. Mit seinen Widderhörnern ließ sich die hohe Tür

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