Glennkill: Ein Schafskrimmi
ich seh hier einfach zu wenig! Ham, kannst du nicht besser leuchten? Hierher, nicht da hinten hin.« George klang gereizt.
»Du stehst im Licht«, sagte Ham. »Ich kann nicht durch dich durchleuchten. Du musst auf die Seite.«
»Ich kann nicht auf die Seite!«
Das stimmte. George stand in der Mitte der schmalen Rampe, die einzige Stelle, an der ein großer Zweifüßler wie er Platz finden konnte ohne abzustürzen.
»Dann muss er hier runter!«, schnaufte der Metzger. »Sonst geht es nicht.«
George versuchte, McCarthy von dem Geröllhaufen herunterzuzerren, aber der sträubte sich mit steifen Gliedern.
George drehte sich zu Ham um.
»Ham, bitte, steh nicht einfach so rum!«
Der Metzger seufzte. Er nahm Georges Handschuhe, zog sie notdürftig über seine riesigen Metzgerspranken und kletterte auf die Rampe. Sehr viele Steine rollten. Er packte die Leiche mit geübtem Griff an einem Vorder- und einem Hinterbein und wuchtete sie in einem einzigen Schwung vor Georges Füße. Einen Augenblick lang bewegte sich der Metzger elegant wie ein Seehund im Wasser. Etwas Schweres klimperte über die Steine hinter McCarthy her.
»Hier.« Der Metzger zeigte auf McCarthys Hinterkopf. »Schlag auf den Hinterkopf. Vermutlich damit.« Der Metzger zeigte auf das Ding, das hinter McCarthy hergeklimpert war. Melmoth witterte vorsichtig – ein einfacher Spaten, so wie George ihn im Gemüsegarten benutzte.
»Eigentlich eine saubere Sache. Wozu es den Unsinn hier gebraucht hat« – der Metzger zeigte auf McCarthys Oberkörper – »kann ich mir nicht vorstellen. Das macht sie nur nervös.«
»Nicht natürlich.« George schüttelte den Kopf. »Ein richtiger Mord. Nicht zu glauben.«
Der Metzger sah George erschrocken an. »Wir sollten endlich zur Polizei.«
»Moment«, sagte George. »Moment. Erst denken. Wir sind hier in eine Riesenschweinerei gestolpert. Überleg doch mal, ausgerechnet McCarthy. Was da alles mit dranhängen kann. Wen würden sie verdächtigen? Wer hätte Grund gehabt, McCarthy umzubringen?«
»Josh natürlich, Sam, Patrick und Terry«, sagte der Metzger. »Michael und Healy.«
George nickte. »Eddie, Dan, Brian, O’Connor, Sean und Nora.«
»Adrian und Little Dennis«, sagte der Metzger.
»Leary.«
»Harry und Gabriel.«
»Du auf alle Fälle«, sagte George.
»Du auch«, sagte der Metzger ein bisschen beleidigt. »Eigentlich alle. Bis auf Lilly vielleicht.« Der Metzger machte eine wegwerfende Handbewegung.
George beugte sich wieder über McCarthy.
»Könnte wahrscheinlich jeder gemacht haben.«
Ham nickte. »Die einen besser, die anderen schlechter.«
»Du besser«, sagte George. »Wenn wir jetzt zur Polizei gehen, müssen wir erst mal beweisen, dass wir es nicht selbst waren. Ein …« Er schob seine Mütze aus der Stirn. Melmoth wusste, dass George sehr nachdachte, wenn er die Mütze aus der Stirn schob.
»Ein Alibi brauchen wir. Fragt sich nur, für wann. Kannst du ungefähr sagen, seit wann er tot ist?«
»Hmmm«, sagte der Metzger, »bei mir sind sie natürlich im Kühlhaus. Aber warm ist es hier ja auch nicht gerade. Also, wenn das ein Schwein wäre, würde ich sagen, mindestens, hmmm, sagen wir vier Tage. Passiert natürlich nur, wenn man schlampig ist und nicht sofort verarbeitet, und dann hat man die Schweinerei.«
»Und wenn er längere Zeit in der Wärme war und man ihn erst vor kurzem hergebracht hat?«
»Auch dann«, sagte der Metzger. »Drei Tage, mindestens. Siehst du die Flecken hier? Zwei Tage, bis sich die überhaupt bilden, und so ausgeprägt wie hier … Drei Tage, würde ich sagen.«
Georges Mütze wanderte noch weiter aus der Stirn. »Drei Tage. Vor drei Tagen war Sonntag. Da war ich im Schäferwagen, wollte endlich mal wieder einen Tag Ruhe haben. Und du hast wahrscheinlich alleine vor der Glotze gesessen?«
Ham nickte verschämt.
»Schlecht, ganz schlecht«, murmelte George. »Wenn wir das jetzt melden, stellen die uns alles auf den Kopf. Stöbern im Schäferwagen rum. Das fehlt mir gerade noch. In den Knast, wegen McCarthy? Nicht mit mir! Ich sage, wir lassen ihn liegen. Soll ihn doch finden, wer will!«
George drehte sich um und stapfte entschlossen in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Der Metzger pfiff seine Hunde herbei und folgte ihm mit großen hektischen Schritten. Melmoth stand neben McCarthy und sah ihnen nach. Selbst in seiner tiefen, wollenen Müdigkeit wunderte er sich. Der Aasfresser – in die Flucht geschlagen von einem Toten! Nicht zu
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