Glennkill: Ein Schafskrimmi
mitgebracht. Melmoth sah zu, wie es Haken schlug, die Felswände emporkletterte und dabei immer näher kam. Am Fuße des Geröllhügels zögerte das Licht einen Augenblick. Dann hüpfte es entschlossen die Rampe hinauf, über Stein und Bein, ohne dass dabei auch nur ein einziger Stein ins Rollen gekommen wäre. Das Licht war ein guter Jäger. Von der Rampe aus sprang das Licht in den Schatten, direkt auf Melmoth zu. Einen Moment lang stand er blinzelnd in blendendem Weiß. Dann wurde es schwarz um ihn.
»Oh shit!«, sagte der Metzger.
»Was ist, ist ihm was passiert?«, sagte George, der ein bisschen hinter dem Metzger zurückgeblieben war. »Ich hab dir gesagt, du sollst ihn nicht so hetzen, nicht in der Nacht, wenn er …«
George war einen Moment still.
»Oh shit!«, sagte er dann.
Durch entschlossenes Augenaufreißen gelang es Melmoth allmählich, das Schwarz wieder zurückzudrängen. Jetzt konnte er sehen, was passiert war. Das Licht hatte wieder von ihm abgelassen. Es war zurück auf das Geröll gesprungen und hatte sich an dem einsamen Menschenbein festgebissen. Erst jetzt wurde Melmoth klar, wie unpassend das Menschenbein an diesem Ort war. Es ragte bleich und unbefellt in den Nachthimmel und roch nach Tod.
Das Licht begann zu zittern. Der Metzger trat ein paar Schritte zurück. Nur die Hunde schienen sich noch für Melmoth zu interessieren, der schwer atmend im Schatten der Geröllrampe stand.
»George?«, sagte der Metzger. Seine Stimme klang gar nicht furchtbar. »Glaubst du, wir sollten … gehen?«
Georges hagere Gestalt stand eingefroren in der Dunkelheit. Er schüttelte den Kopf.
»Wir haben es gesehen. Nicht gerade schön. Wär mir auch lieber, wenn wir bloß Melmoth gefunden hätten und sonst nichts. Zu spät. Jetzt müssen wir durch. Shit!«
»Shit!«, bestätigte der Metzger. Er war noch einen Schritt zurückgetreten.
»Fasst du ihn an?«, fragte er.
George drehte sich halb zu dem Metzger um, und Melmoth konnte riechen, dass er nicht mehr wütend war. Nicht auf Melmoth und auch auf sonst niemanden.
»Ham«, sagte er, »du bist Metzger. Du machst so was jeden Tag. Theoretisch. Ich hatte gehofft, dass du …«
»Das ist was anderes. Was komplett anderes. Mein Gott, George, das ist eine Leiche. «
George zuckte mit den Schultern. »Glaubst du etwa, du arbeitest mit so einer Art Obst?«
Er stieg auf die Rampe. Steine kamen ins Rollen. Holte Arbeitshandschuhe aus den Taschen seiner Jacke. Zog sie an. Zog an dem Bein. Etwas bewegte sich unter dem Geröll. Viele Steine rollten, als ein großer Körper der Oberfläche zustrebte. Melmoth trat einen Schritt zurück, damit ihn die Steine nicht an den Beinen trafen. Stein und Bein.
Der Metzger gab ein Geräusch von sich, das ein bisschen wie ein saugendes Lamm klang, lang, feucht und schnalzend.
»Das Wiesel«, sagte der Metzger. »Wiesel McCarthy!«
George, der bisher verbissen an dem Bein gezerrt hatte, sah nach unten. Neben dem Bein war ein zweites hervorgekommen, darüber ein magerer Rumpf, zwei magere Arme und ein überraschtes, totes Wieselgesicht. Arme und Beine standen in seltsamen Winkeln ab.
»Steif«, sagte George. Der Metzger nickte.
»Nach ungefähr acht Stunden. Bis dahin müssen sie verarbeitet sein.« Er fuhr sich verlegen mit der Hand über den Mund, so als wollte er seine Worte wieder aus der klaren Nachtluft fangen.
George zuckte wieder mit den Schultern. »McCarthy war schon immer ein bisschen steif«, sagte er. Sie sahen beide aus, als hätten sie lieber nichts gesagt.
Die Hunde schnüffelten neugierig an McCarthy. Melmoth hätte jetzt einfach davongehen können. Niemand interessierte sich mehr für ihn. Aber Melmoth war zu müde. Er hörte dem samtigen Schleifen der Nacht zu, stand und schwieg.
George beugte sich zu McCarthy herunter.
»Also, natürlich ist das nicht. Schau dir das an, Ham.« Ham nickte, aber er kam nicht näher.
»Und wenn wir einfach die Polizei holen?«, fragte er.
George nickte. »Bei jedem anderen, aber nicht bei McCarthy. Überleg doch mal, Ham. Irgendwas stimmt hier ganz und gar nicht. Und wie gesagt, natürlich ist das nicht.«
Melmoth konnte an McCarthy nichts Unnatürliches erkennen. Viele kleine Wunden am Oberkörper und an den Armen.
Einige davon harmlos, kaum mehr als blaue Flecke. Aber es gab auch einige glatte Stiche, wie von einem Messer. Die eigentlich tödliche Wunde war wahrscheinlich die am Kopf, dickes, kaltes Blut auf fettigem Haar. Alles vollkommen natürlich.
»Also,
Weitere Kostenlose Bücher