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Glennkill: Ein Schafskrimmi

Glennkill: Ein Schafskrimmi

Titel: Glennkill: Ein Schafskrimmi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Swann
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»Zeitungen? Ja, schon, aber …«
    »Gut!« George nickte zufrieden. »Und sieht man die auf dem Video? Dann können wir nämlich das mit dem Datum beweisen.«
    Ham nickte mit offenem Mund. Langsam schien ihm zu dämmern, worauf George hinauswollte.
    Aber George hatte schon wieder weitergedacht. »Sehr gut«, murmelte er. »Sehr gut. Die sind viele. Und viele zusammen riskieren nichts. Wir sorgen dafür, dass die Polizei McCarthy sofort findet. Du machst von dem Video Kopien. Dann verstecken wir die Kassetten. Und wenn uns was passiert, kommt alles raus!«
    »Wenn uns was passiert, kommt alles raus«, wiederholte der Metzger. »Richtig! Die werden mich kennen lernen. Morgen sind meine Sachen beim Anwalt. Mit Testament. Bei meinem Tode zu öffnen!«
    George nickte. »Nur müssen die auch möglichst bald davon wissen, sonst nützt es uns gar nichts mehr.«
    »Morgen früh!«, sagte der Metzger entschlossen. »Der Erste, der in meinen Laden kommt, erfährt’s.«
    Sie drehten sich wieder um und stapften davon, noch eiliger als das erste Mal.
    Doch dann drehte sich George um und leuchtete Melmoth an.
    »Melmoth«, sagte er mit freundlicher Stimme. »Komm!«
    Ham schnaufte ärgerlich.
    »Wie kannst du jetzt nur an das Vieh denken?«
    »Weil es mein Vieh ist. Mein entlaufenes Lamm. Wer von uns rennt hier jeden Sonntag in die Kirche? Komm, Melmoth!«
    George lockte ihn mit seiner freundlichsten Ich-hab-einen-Rübenschnitz-in-der-Hand-Stimme. Melmoth konnte riechen, dass George keinen Rübenschnitz hatte. Trotzdem wäre er gerne gekommen. Zurück zur Herde.
    Aber er konnte nicht.
    Kein Zurück. Einmal draußen, immer draußen.
    Melmoth war allein. Er musste allein bleiben.
    Manchmal ist Alleinsein ein Vorteil.
    Er wich vor George zurück, Schritt für Schritt, bis sein Hinterteil gegen einen Felsen stieß. George ging weiter auf ihn zu. Er packte ihn mit einer Hand an seinen jungen Hörnern, freundschaftlich, wie er es schon viele Male getan hatte. Melmoth kämpfte gegen diesen Griff, wie er noch nie im Leben gegen etwas gekämpft hatte.
    Irgendwann gab George auf.
    »Soll ich?«, fragte Ham.
    George schüttelte den Kopf. »Es hat keinen Sinn«, sagte er. »Er will nicht.«
    Auf einmal hatte George ein Messer in der Hand. Wieder ging er auf Melmoth zu. Er fasste in seine Wolle, direkt an der Kehle und suchte etwas. Melmoth stand starr. Dann hatte George gefunden, was er suchte. Einen schmalen Faden, tief in Melmoths Wolle. Er schnitt ihn durch. Ein Schlüssel klirrte auf den Boden, glatt und glänzend. George bückte sich und hob ihn auf. Er seufzte.
    Melmoth konnte sich an den Tag erinnern, an dem George ihm diesen Schlüssel umgebunden hatte. »Weil du der Wildeste bist«, hatte George gesagt. Nicht Ritchfield, obwohl er die Hörner so hoch trug. Melmoth. Es war ein großer Tag für Melmoth gewesen.
    George ging von ihm weg, ohne sich noch einmal umzudrehen.
    »George, bist du verrückt?«, rief Ham. »Erst suchen wir das Vieh tagelang, und jetzt lässt du es einfach da. Was soll das denn werden? Das läuft der ersten besten Herde zu, die es finden kann. Schade drum. Ein Schaf ohne Herde? Das geht doch gar nicht! Das schafft es nie!«
    »Der schafft es!«, hörte Melmoth George sagen, als zwei bleiche Lichtkegel in der Dunkelheit verschwanden.

14
    In den Abendstunden war es auf der Weide ganz still geworden. Wildtauben wanderten auf der Suche nach Insekten durch das Gras, der Himmel war blass und rosig, das Meer lag glatt wie Milch um die Klippen. Sogar das monotone Rupfgeräusch der Gabriel-Schafe hatte aufgehört. Bleichäugig drängten sie sich in stummer Anstrengung gegen den Drahtzaun, dort, wo sich einer der Pfosten aus seiner Verankerung gelöst hatte.
    Georges Schafe bemerkten von all dem nichts. Sie saßen noch immer unter dem Schattenbaum und staunten.
    »Du hast es geschafft«, sagte Cordelia bewundernd. Die anderen Schafe schwiegen. Ihre Herzen klopften noch hinter Melmoths abenteuerlichen Erlebnissen her, dem blitzenden Messer, dem Geruch des Aasfressers, dem Heulen der Metzgershunde.
    Auch Melmoth schwieg. Er sah ein wenig so aus, als würde er noch immer durch den Steinbruch irren. Er sah auf eine merkwürdige Art jung aus.
    »Weiter!«, blökte eine quäkende Stimme. Das Winterlamm. Melmoth drehte blitzschnell den Kopf.
    »Was weiter, junger Graser?«
    Das Winterlamm verschwand erschrocken hinter dem Stamm des Schattenbaums.
    »Ich meine, wie geht die Geschichte weiter?«, blökte es von dort.
    »Die

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