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Glennkill: Ein Schafskrimmi

Glennkill: Ein Schafskrimmi

Titel: Glennkill: Ein Schafskrimmi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Swann
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einmal – hörten Gabriels Schafe mit dem Drängen auf. Sie standen einfach nur da und lauschten in die Dunkelheit. Ihre Flanken hoben und senkten sich, zitternd von der Anstrengung – oder vielleicht von etwas anderem. Um sie herum, in immer engeren Kreisen, jagte ein dunkler Körper durch die Nacht.
     
    *
    Später konnte sich keines der Schafe genau erinnern, was passiert war. Eine Abfolge von Flucht und Atemlosigkeit, Sich-Zusammenballen und Auseinanderspritzen, blinder Aufregung und gespannter Erwartung. Niemals Panik, niemals Ausweglosigkeit. Es gab immer einen Schritt, der noch zu tun war, den einzig möglichen Schritt. Irgendwo dort draußen, unsichtbar, mehr geahnt als wahrgenommen, hütete sie jemand ganz meisterhaft.
    Nach kurzer Zeit – es konnte nur eine kurze Zeit gewesen sein, denn ihr Atem war klar, und ihre Herzen pochten nur von der Aufregung – waren alle Schafe wieder da, wo sie hingehörten: Georges Schafe im Heuschuppen, Gabriels Schafe hinter ihrem Drahtzaun.
    An den Klippen stand, mit vor Bewunderung glänzenden Augen, Lane, das schnellste Schaf der Herde, und sah verträumt in die Nacht.

15
    Am nächsten Morgen trabten die Schafe schon früh auf die Weide, um sich George’s Place bei Licht zu betrachten. Sie waren zufrieden. George’s Place war unversehrt, und sogar das niedergetrampelte Gras drumherum begann, sich langsam wieder aufzurichten. Gabriels Schafe standen wieder dort, wo sie hingehörten, hinter dem Zaun, und kein einziges hatte sich ein zweites Mal durch die Lücke getraut. Die George-Schafe waren stolz auf sich. Gespannt warteten sie auf Gabriel. Er sollte sehen, was seine Schafe angerichtet hatten. Dann würde er endlich merken, was für unnütze Fresser er ihnen mitgebracht hatte.
    Als Gabriel kam, war es schon spät. Sogar die morgenscheuen Hummeln waren bereits unterwegs, und auf der Steinmauer neben dem Tor sonnten sich Eidechsen. Sie verschwanden wie dunkle Blitze, als Gabriel endlich auf der Weide auftauchte. Gabriel kam nicht allein. Neben ihm lief ein Mann mit schnellen, unruhigen Augen, eine schwarze Tasche in der Hand. Gemeinsam machten sie vor dem Schäferwagen halt.
    »Es wäre schon praktisch, wenn ich hineinkönnte«, sagte Gabriel. »Ich könnte meine Sachen drinlassen. Und vielleicht ab und zu über Nacht bleiben.«
    »Ja«, sagte der Mann vielsagend und blinzelte mit seinen schnellen Augen, »praktisch wäre es schon. Und interessant. Wollen wir mal sehen.«
    Der Mann holte einige Werkzeuge aus seiner Tasche.
    Eine Elster landete auf dem Dach des Schäferwagens und legte neugierig den Kopf schief.
    Mit seinen Metalldingen machte sich der Mann an der Tür von Georges Schäferwagen zu schaffen. Bald schwitzte er. Auch die Schafe spürten die frühe Hitze des neuen Tages. Es war keine gute Hitze. Es war die stumme Hitze vor einem Sturm.
    Nach einer Weile richtete sich der Mann wieder auf und wischte sich mit dem Hemdsärmel den Schweiß von der Stirn. Die Fliegen summten.
    »Tut mir Leid«, sagte der Mann.
    »Das heißt?«, fragte Gabriel.
    »Das kriege ich nicht so einfach mit ein paar Werkzeugen auf. Da brauchst du viel Zeit und einen Spezialisten.«
    »Ich dachte, du wärst ein Spezialist, Eddie.«
    »Aber nicht für so was. Ich habe es mal gelernt, das schon, aber wenn man es nur so nebenbei macht, neben der Landwirtschaft …« Eddie zuckte mit den Achseln.
    »Wo ist das Problem?«, fragte Gabriel.
    »Das Schloss ist das Problem. Sicherheitsschloss. Da macht man nicht so einfach einen Zweitschlüssel.«
    »So«, sagte Gabriel.
    »Schau mal, Gabriel. Wir beide wissen, warum du da hinein willst. Deine Sachen können auch woanders hin. Warum brichst du die Tür nicht einfach auf, und wenn sie dann im Eimer ist, na und? Um die Türe wär’s ja nicht schade. Eigentlich idiotisch: so ein Schloss an so einer Tür …«
    »Also, rein könnte man?«
    »Rein könnte man ohne weiteres.«
    »Aber man würde es sehen?«
    »Man würde es sehen.«
    »Und bei den Fenstern?«
    »Dasselbe. Rein kein Problem, aber man würde es sehen.«
    Gabriel nickte. »Darum ging’s ihm. Wir lassen das Ganze.«
    Einen Augenblick sah ihn der Mann verständnislos an. Die Schafe merkten, wie sehr er in den Schäferwagen wollte. Beinahe ebenso sehr wie Gabriel selbst. Wieder einmal wurde ihnen klar, wie sich George doch von allen anderen Menschen unterschieden hatte. Er hatte sich nur für Schafe interessiert. Die anderen interessierten sich nur für den Schäferwagen.
    Eddies Gesicht

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