Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Glennkill: Ein Schafskrimmi

Glennkill: Ein Schafskrimmi

Titel: Glennkill: Ein Schafskrimmi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Swann
Vom Netzwerk:
vielleicht hat das alles mit Georges Tod gar nichts zu tun«, sagte Zora. »Immerhin haben sie ihn viele Jahre lang in Ruhe gelassen – fast ein ganzes Schafsleben lang. Warum auf einmal jetzt?«
    Miss Maple schüttelte heftig den Kopf. »Es muss etwas damit zu tun haben. Der Spaten hier – der Spaten da – das ist zu auffällig. Normalerweise sind Spaten nicht gefährlich. Unserer hat viele Jahre im Geräteschuppen verbracht, und nie ist etwas passiert. Und auf einmal sollen zwei Menschen an Spaten sterben? Denn so sollte es aussehen, bei George, obwohl er in Wirklichkeit vergiftet wurde. Wer immer George ermordet hat – er wollte, dass irgendjemand an McCarthy denkt.«
    »Was ist mit dem Metzger?«, blökte Mopple, der seinem guten Vorsatz vom ewigen Schweigen und Wiederkäuen schon wieder untreu geworden war. »Der Metzger wusste auch von McCarthy.«
    »Der Metzger«, überlegte Maple. »Der Metzger.« Es war, als würde sie auf dem Wort herumkauen. »Der Metzger hat sich abgesichert. Deswegen bringt niemand den Metzger um! Sollte es eine Warnung für ihn sein – weil sie sich an ihn selbst nicht herangetraut haben? Andererseits«, Maples Ohren zuckten, »andererseits kann es auch gerade umgekehrt sein. Vielleicht will jetzt jemand, dass alles herauskommt. Vielleicht hat er George umgebracht, damit endlich alles herauskommt. Und jetzt, nachdem es bei George nicht geklappt hat, hat er es auf den Metzger abgesehen. Die Menschen im Dorf haben Angst um den Metzger. Wir haben gehört, dass sie sich Sorgen machen, obwohl keiner ihn mag.«
    »Es ist eine Liebesgeschichte!«, blökte Heide trotzig.
    »Nicht, wenn der Metzger vorkommt«, sagte Mopple.
    Aber Miss Maple schien selbst dem Metzger eine Liebesgeschichte zuzutrauen. »Warum eigentlich nicht?«, sagte sie. »Immerhin scheint sich der Metzger für Kate zu interessieren. Und er wusste, was damals mit McCarthy passiert ist. Vielleicht hat der Metzger den Spaten in George gesteckt, damit es so aussieht, als wären es schon wieder die anderen gewesen. Alle zusammen! Keiner würde sich trauen, ihn zu verraten – weil er sich abgesichert hat.«
    Den Schafen wurde fast schwindelig von Miss Maples vielen Gedanken. Überall, wo sie ihre Schafsnase hineinsteckte, schwirrten neue Möglichkeiten auf wie Fliegen am Futtertrog. Auch Miss Maple schien es jetzt zu viel zu werden. »Wir wissen noch immer nicht genug«, seufzte sie. »Wir müssen noch mehr über die Menschen erfahren.«
    Die Schafe beschlossen, sich im Heuschuppen gemeinsam vom anstrengenden Kriminalgeschäft zu erholen.
    Nach dem heißen Tag war es dort dumpf und stickig. Die Hitze hatte alte Gerüche aus den Ecken, Winkeln und Nischen aufgeschreckt. Eine junge Maus, die im vergangenen Sommer unter den Holzplanken gestorben war. George, wie er schwitzend Heu durch die Luke im Dach auf sie herunterschaufelte, einen duftenden Regen aus Heu. Eine Schraube, die aus dem Radio gefallen war und die jetzt wieder roch, wie sie damals gerochen hatte, nach Metall und Musik. Blut und Brennsalbe, von Othellos Wunde auf den Boden getropft. Schwalbeneier unterm Dach. Der Geruch von Öl. Der Geruch vieler Lämmer. Der Geruch von Schnee. Puder vom Schmetterlingsflügel.
    Die Gerüche geisterten durch den Heuschuppen wie neugierige Ratten.
    Maple lauschte ihnen schläfrig nach. Trotz der Hitze war sie bald eingeschlafen.
    In ihrem Traum war es kühl. Sie stand an einem Bach, und der Bach murmelte ihr zu. Gluckste, summte, sang. Der Bach erzählte, dass alles dem Meer zufloss und nichts je zurückkam. Aber Maple traute dem Bach nicht. An seinem Ufer graste eine große Herde prächtiger weißer Schafe, und manchmal kam es vor, dass eines von ihnen über den Bach setzte. Jedes Mal kam es als schwarzes Schaf am anderen Ufer an. Schwarz von Kopf bis Huf. Die schwarzen Schafe starrten mit sehnsüchtigen Augen zurück zum Ufer der weißen Schafe, aber die weißen Schafe schienen sie nicht zu bemerken, so lange, bis eines der schwarzen Schafe Anlauf nahm und noch einmal über den Bach sprang. Aber es wurde nicht wieder weiß. Mitten im Sprung verwandelte es sich in einen großen, grauen Wolf. Die weißen Schafe stoben vor ihm davon, direkt in den Himmel hinein. In ihrem Traum beschloss Maple, sich genau zu merken, wie sie es taten, um es später Zora erzählen zu können. In ihrem Traum wusste Maple aber auch, dass sie das Geheimnis nicht über das Aufwachen hinüberretten konnte. Ein nervöser Geruch wehte vom Himmel

Weitere Kostenlose Bücher