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Glennkill: Ein Schafskrimmi

Glennkill: Ein Schafskrimmi

Titel: Glennkill: Ein Schafskrimmi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Swann
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sich, um die Aufmerksamkeit der Dörfler zurückzugewinnen.
    Die Schafe waren gespannt. Zum ersten Mal seit langer Zeit bekamen sie wieder etwas vorgelesen. Und George selbst hatte es geschrieben.
    »Meiner Frau Kate vermache ich meine Bibliothek, unter anderem 73 Schundromane, ein Kriminalroman, ein irisches Märchenbuch und ein Buch über Schafskrankheiten, sowie alles, was das Gesetz sonst noch vorschreibt.«
    Der Anwalt sah auf. »Sie können das Haus behalten«, erklärte er, »und eine kleine Rente steht Ihnen auch zu.« Kate nickte mit zusammengebissenen Zähnen.
    »Meiner Tochter Rebecca Flock –« Ein Raunen ging durch die Menge. George? Eine Tochter? Seitensprung? Ehebruch?
    »– vermache ich meinen Landbesitz, bestehend aus Weideland in Glennkill, Golagh und Tullykinree.«
    Othello blickte zu Rebecca in ihrem leuchtend roten Kleid hinüber. Wie eine Mohnblume stand sie zwischen den schwarzen und grauen Dörflern. Sie war sehr blass geworden und presste die Lippen zusammen. Niemand beachtete sie. Kate schluchzte. Ham sah betroffen zu ihr hinüber.
    »Das war’s dann wohl«, sagte irgendjemand.
    »Nein«, sagte der Anwalt. »Das war es nicht.«
    Mopple konnte förmlich sehen, wie sich unter der schwarzen Kleidung Muskeln anspannten. Würde es jetzt herauskommen? Aber was? Mopple machte sich fluchtbereit.
    »Beth Jameson bekommt meine Bibel.«
    Die barmherzige Beth begann, in der dritten Reihe hinter vorgehaltener Hand unkontrolliert zu schluchzen.
    »Abraham Rackham vermache ich meine Smith & Wesson samt Schalldämpfer, in der Meinung, dass er sie noch brauchen wird.« Ham saß in seinem Rollstuhl. Seine Augen waren feucht. Er nickte verbissen.
    »Ich weiß, was ihr jetzt denkt«, sagte der Anwalt. »Nicht alle von euch, aber genug.«
    »Wie können Sie das wissen?«, fragte Lilly.
    »Ich zitiere«, sagte der Anwalt. Verständnislose Blicke. Der Anwalt seufzte wieder. Die Schafe konnten ihn gut verstehen. Sogar sie wussten, was »zitieren« bedeutete. Jedenfalls ungefähr. So etwas wie »vorlesen«.
    »Ich habe es mir lange überlegt«, sagte der Anwalt, »aber ich werde es nicht tun. Lebt einfach euer kleines, mieses Leben weiter.«
    Der Anwalt sah auf. »Damit können Sie wahrscheinlich mehr anfangen als ich.«
    »Das war’s?«, fragte Josh, spürbare Erleichterung in der Stimme.
    Der Anwalt schüttelte den Kopf, räusperte sich und blätterte in seinen Papieren herum.
    »Den Rest meines Vermögens, das sich derzeit auf« – der Anwalt nannte eine Zahl, die die Schafe noch nie gehört hatten – »beläuft, vermache ich …«
    Der Anwalt ließ sich Zeit. Seine klugen Augen glitzerten durch die Brillengläser, während er die Menschen von Glennkill unter halb geschlossenen Lidern beobachtete. Die Menschen waren sehr still geworden. Mitten hinein in diese Stille platzte Kates hysterisches Lachen.
    »Vermache ich meinen Schafen, damit sie, wie versprochen, nach Europa fahren können.«
    Kate lachte in das Schweigen hinein, ein hässliches Lachen, das den Schafen wie kalter Regen durch das Fell troff. Ham blinzelte heftig, als hätte dieser Regen auch ihn erwischt.
    »Ist das ein Witz?«, fragte Harry, der Sünder.
    »Nein«, sagte der Anwalt, »das ist durchaus rechtskräftig. Das Vermögen verwalte ich. Natürlich brauchen die Tiere außerdem einen Bevollmächtigten, der als Schäfer mit nach Europa kommt. Seine Rechte und Pflichten sind genau im Testament festgelegt.«
    »Und wer ist es?«, fragte Tom O’Malley gespannt.
    »Das«, sagte der Anwalt, »ist noch nicht festgelegt. Ich soll das nach eigenem Ermessen regeln. Am liebsten jetzt gleich. Möchte vielleicht jemand von Ihnen?«
    Schweigen.
    Der Anwalt nickte. »Sie müssen natürlich wissen, was auf Sie zukommt. Ich habe hier etwas vorbereitet.« Der Anwalt verteilte bedruckte Zettel an die Dörfler.
    Lilly kicherte. »Den Schafen ist jeden Tag mindestens eine halbe Stunde vorzulesen? Wer macht denn so was?«
    »Der oder die Bevollmächtigte«, sagte der Anwalt. »Sämtliche Auflagen werden natürlich von neutraler Stelle – sprich: mir – kontrolliert.«
    »Kein Schaf darf verkauft werden, kein Schaf darf geschlachtet werden? Bei Zuchtprojekten ist auf Wolligkeit zu achten?«, fragte Eddie. »Ökonomisch ist das ja nicht.«
    »Muss es auch nicht«, sagte der Anwalt. »Ganz unten sehen Sie das Gehalt. Jedes Mal, wenn eines der Schafe stirbt, wird es zurückgestuft, aber ganz ansehnlich ist es trotzdem, würde ich meinen.«
    »Und wenn sie alle

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