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Glennkill: Ein Schafskrimmi

Glennkill: Ein Schafskrimmi

Titel: Glennkill: Ein Schafskrimmi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Swann
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gestorben sind?«, fragte Gabriel. »An einer Seuche, zum Beispiel?«
    »In diesem Fall gibt es abschließend eine kleine Anerkennungsprämie, alle anderen Zahlungen werden eingestellt.«
    Gabriel trat vor. »Ich mach’s«, sagte er.
    »Sehr schön«, sagte der Anwalt. »Sonst noch jemand?«
    Die Bewohner von Glennkill sahen sich nervös an. Sie blickten auf ihre Zettel, dann wieder zu Gabriel und dem Anwalt. Manche schienen fieberhaft nachzudenken. Ein seltsames Leuchten war in ihre Augen getreten, und plötzlich lag ein feiner Schweißgeruch in der Luft. Erwartungsvoll. Hungrig. Aber sie blickten hinüber zu Gabriel, der mit den Händen in den Hosentaschen neben dem Anwalt stand, und blieben stumm. Wie ein Leitwidder, dachten die Schafe. Wenn der Leitwidder eine Aufgabe übernommen hat, kommt auch kein anderes Schaf auf die Idee, sie ihm streitig zu machen.
    Aber ein Schaf kam dann doch auf die Idee.
    »Wirklich niemand?«, fragte der Anwalt. In seinem glatten Ton schwang ein Hauch Enttäuschung mit.
    »Ich würde gerne«, sagte eine warme Stimme. Eine Vorlesestimme.
    »Hervorragend«, sagte der Anwalt und sah fast ein wenig dankbar zu Rebecca hinüber. Sie stand neben Beth, blass und strahlend. Die Schafe waren erleichtert. Mit Gabriel hätten sie nicht einmal nach Europa gewollt.
    »Und wer entscheidet, wer es nun wird?«, fragte Lilly. »Sie?«
    »Die Erben natürlich«, sagte der Anwalt.
    »Die Schafe?«, fragte Ham atemlos.
    »Die Schafe«, bestätigte der Anwalt.
    »Dann müssen wir hoch zur Weide«, sagte Gabriel. Seine blauen Augen lachten Rebecca aus.
    »Das glaube ich nicht«, sagte der Anwalt. »Wie mir scheint, sind die Erben schon unter uns. Ein schwarzer Hebridean-Vierhornwidder, ein Mountain Blackface, ein Merino, der Rest Cladoir mit Blackface-Einkreuzungen – die letzte Cladoir-Herde in ganz Irland. Eine alte irische Schafsrasse, eine Schande, dass sie sonst nirgends mehr gezüchtet wird.«
    Die Menschen drehten sich um, zuerst nur überrascht. Aber dann sahen sie mit unverblümter Feindseligkeit auf Georges Herde hinunter. Gabriel musterte die Schafe mit kritisch gerunzelter Stirn.
    »Schafe? Die Schafe?«, keuchte Ham. Niemand beachtete ihn.
    Die Menschenherde und die Schafherde standen sich gegenüber. Die Blicke der Menschen liefen den Schafen wie Läuse über die Haut. Sie sahen unbehaglich zu Othello, Ritchfield und Melmoth hinüber. Die drei Widder waren vorsichtig etwas zurückgewichen, aber sie dachten nicht daran, davonzulaufen.
    »Schön«, sagte der Anwalt. »Dann wollen wir mal sehen.«
    »Wie wollen wir das denn sehen?«, fragte Lilly ein wenig spöttisch.
    »So genau weiß ich es auch noch nicht«, sagte der Anwalt.
    »Da meine neuen Klienten nicht sprechen können, müssen wir es anders versuchen. Sie« – er wandte sich an Rebecca – »stellen sich bitte hier hin, und Sie« – Gabriel – »bitte da drüben. Schön.«
    Er wandte sich an die Schafe.
    »Schafe von George Glenn«, sagte der Anwalt, dem die Sache sichtlich Spaß machte, »wer soll euch als Schäfer nach Europa begleiten? Herr …« – er sah zu Gabriel hinüber.
    »Gabriel O’Rourke«, sagte Gabriel zwischen zusammengebissenen Zähnen.
    »Oder Frau …«
    »Rebecca Flock«, sagte Rebecca.
    Ein Raunen ging durch die Menge. Sogar der Anwalt hob die Augenbrauen. Kate begann wieder, hysterisch zu lachen.
    »Herr Gabriel O’Rourke oder Frau Rebecca Flock«, wiederholte der Anwalt.
    Die Blicke der Schafe wanderten stumm zwischen dem Anwalt und Rebecca hin und her. Sie wollten Rebecca, so viel war klar. Aber wie sollten sie es dem Anwalt sagen?
    »Rebecca!«, blökte Maude.
    »Rebecca!«, blökten Lane, Cordelia und Mopple im Chor. Aber der Anwalt schien sie nicht zu verstehen. Die Schafe schwiegen verwirrt.
    »Das wird doch nichts«, sagte jemand halblaut. »Gebt sie Gabriel, der kennt sich wenigstens mit ihnen aus!«
    Blitzschnell war die Überraschung der Dörfler in Feindseligkeit gegen Rebecca umgeschlagen.
    »Die kann doch ein Schaf nicht von einer Puderquaste unterscheiden«, murmelte jemand.
    »Flittchen«, zirpte eine Frauenstimme. Die Menschen zischelten.
    Durch das Zischeln hindurch aber sang sich eine einfache, betörende Melodie. Gabriel hatte begonnen, auf Gälisch zu murmeln. Früher hätte es die Schafe haltlos entzückt, und auch jetzt hatte Gabriels sanfte Stimme einen unbestreitbaren Charme.
    Othello trat einen Schritt nach vorne. Die Herde blieb dicht hinter ihm. Der schwarze Widder sah Gabriel

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