Glenraven
der Stuhllehne. »Das ist keine Antwort auf das, was ich dich gefragt habe, Terth. Was habe ich dich gefragt?«
Terth schluckte. Er blickte mit düsterem Gesicht zuerst nach oben und dann nach rechts, bevor er ihr wieder in die Augen sah. »Ihr habt gefragt, warum er nicht bei mir ist.«
»Und?«
»Er ist weg, Schutzherrin. Verschwunden.«
Aidris lächelte, und die restliche Farbe wich aus Terths Gesicht. »Ich habe nicht gefragt, wo Hyultif ist - ich habe gefragt, warum er nicht bei dir ist. Dies ist deine letzte Gelegenheit zu einer annehmbaren Antwort… und wenn nicht, wird dir gar nicht gefallen, was als nächstes geschieht.«
Terth nickte und starrte auf seine Füße. Sein Atem ging schneller, und seine Hautfarbe war ein blutleeres Grau - er fürchtete sich so sehr, wie ein Alfkindir sich nur fürchten konnte. Schließlich sagte er: »Hyultif ist nicht bei mir, weil ich ihn nicht finden konnte.«
»Hast du nach ihm gesucht?«
Terth nickte.
»Aber du konntest ihn nicht finden?«
Terth nickte erneut.
»Ich verstehe.« Aidris lächelte wieder, und der Kommandeur ihrer Garde entspannte sich. »Das war die falsche Antwort, Terth. Weißt du, wie die richtige Antwort gelautet hätte?« Terth antwortete nicht, doch das hatte Aidris auch gar nicht erwartet. Sie fuhr fort. »Die richtige Antwort hätte gelautet: ›Er ist nicht bei mir, weil ich ihn getötet habe… aber ich kann Euch seinen Kopf bringen, wenn Ihr es wünscht.‹ Wäre das nicht eine gute Antwort gewesen?«
Terth nickte langsam und leckte sich die Lippen. Seine weiß umrandeten Augen wirkten, als wollten sie jeden Augenblick aus ihren Höhlen springen und eigenmächtig die Flucht antreten.
» Gut «, sagte Aidris. »Ich hasse es, jemanden zu bestrafen, ohne daß er weiß, warum. Das wäre ziemlich unvernünftig, findest du nicht?«
Diesmal nickte Terth nicht einmal - er wagte es nicht.
Aidris’ Lächeln wurde breiter. »Ich will aber nicht unvernünftig sein, Terth. Niemand hat mir je vorgeworfen, daß ich unvernünftig wäre, oder doch?«
Terth schüttelte den Kopf. »Nein… Schutzherrin.«
»Gut.« Aidris legte den Zeigefinger an den Mund und studierte den Krieger. Dir Gesichtsausdruck wandelte sich von freundlich zu nachdenklich. »Ich denke, eine kleine Strafe reicht völlig aus.« Sie erhob sich, neigte den Kopf zur Seite und legte ein fürsorgliches Lächeln auf. »Habe ich nicht recht?«
Aidris bemerkte Mißtrauen in Terths Augen - und Hoffnung. Hoffnung, daß sie ihn nicht allzusehr für sein Versagen leiden ließ und daß er nicht die volle Wucht ihres schrecklichen Zorns zu spüren bekam. Er nickte kaum merklich.
»Du stimmst also zu? Wie wunderbar! « Aidris starrte ihm in die Augen. »Komm her«, befahl sie.
Terth erstarrte, als hätte sie ihn ins Gesicht geschlagen. Er versuchte den Blick abzuwenden, aber Aidris ließ es nicht zu. Verzweifelt kämpfte er um die Kontrolle über seine Muskeln, doch sie erlaubte es nicht. Sie hielt ihn mit ihrem Blick - ihrer Macht - fest wie ein Dutzend ihrer besten Krieger. Ohne ihre ausdrückliche Erlaubnis konnte er noch nicht einmal mehr atmen. Er trat einen Schritt nach vorn. Es sah ungeheuer komisch aus, wie er sein linkes Bein hob, um diesen einen einzigen Schritt zu machen, während sich sein ganzer Körper dagegen zur Wehr setzte. Aidris benötigte ein wenig Abwechslung… etwas zum Lachen. Sie hatte ein ungeheuer großes Problem, das sie vor eine gewaltige Aufgabe stellte - aber Terth hatte damit nichts zu tun. Das hier war leicht wieder in Ordnung zu bringen.
Terth trat einen weiteren unfreiwilligen Schritt nach vorn und stieß einen erstickten Schrei aus. Aidris spürte, wie er sich zu widersetzen versuchte - und mußte lachen.
Noch ein Schritt.
Und noch einer.
»Knie nieder«, befahl Aidris.
Terths Muskeln verkrampften sich. Sein Rücken wurde steif. Er ballte die Fäuste vor Anstrengung. Terth schrie - es war der schrille, pfeifende Schrei eines sterbenden Kaninchens. Wunderbar . Aidris hörte das Brechen von Knochen, als seine Knie nachgaben. Terth fiel zu Boden. Er würgte und schluchzte, doch seine Augen starrten noch immer nach vorn.
»Eine kleine Strafe«, sagte Aidris mit sanfter, freundlicher Stimme. »Etwas Einfaches, das du dir selbst antun kannst, um zu beweisen, wie sehr du deinen Fehler bereust. Das wäre das beste, glaubst du nicht auch?«
Terth antwortete nicht. Natürlich.
»Irgend etwas Vernünftiges . Es muß fair sein. Laß mich überlegen - du hast
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