Glenraven
weg von den Städten, und da es bald Nacht wird, ziehen sich die Machnan gerade in die Sicherheit ihrer Behausungen zurück. Niemand wird sich weit von der Straße entfernen. Trotzdem wirst du Wache halten müssen.«
»Was hast du vor?«
»Ich kann es nicht erklären… wir haben nicht genügend Zeit. Du mußt mir einfach vertrauen, Sophie. Du mußt mir vertrauen, wenn ich Jay mit ins Zelt nehme und die Nacht bei ihr verbringe. Du wirst weder mit ihr noch mir sprechen können. Auch wirst du nicht zu uns hereinkommen oder uns unterbrechen. Das ist lebensnotwendig. Lebensnotwendig . Entweder werden wir beide leben oder sterben.« Matthiall zitterte während seiner Worte und blickte Sophie so tief in die Augen, als wollte er ihre Gedanken lesen. Sophie starrte ihn verunsichert an. »Du mußt mir vertrauen, Sophie. Wenn du mir nicht versprechen kannst, daß du mir vertraust und tun wirst, was ich dir sage, dann werde ich nicht versuchen, Jay zu retten… wenn du nicht genau das tust, was ich dir sage, werde ich sterben.«
»Warum?«
»So funktioniert die Magie. Ich kann Jays Leben nur retten, wenn ich meines dafür gebe… «
Sophie schüttelte den Kopf. »Das habe ich nicht gemeint. Warum willst du dein Leben für Jay riskieren? Weil wir diese ›Helden‹ sind, auf die das Buch und all die anderen gewartet haben?«
»Nein.«
»Nein?« Sophie ballte die Fäuste. Alles war außer Kontrolle geraten, und dieses nichtmenschliche Wesen verlangte von ihr, daß sie ihm ihre beste Freundin anvertraute… ihre hilflose, bewußtlose, sterbende beste Freundin. » Warum, verdammt? «
»Frag mich morgen, wenn ich bei Sonnenaufgang noch lebe. Es ist eine lange Geschichte.«
Jay hatte nicht mehr viel Zeit. Sophie mußte eine Entscheidung für ihre Freundin treffen. Sie hatte keine Wahl. Entweder sie vertraute Matthiall, oder sie ließ Jay sterben. »Geh«, sagte sie schließlich. »Wer auch immer zu dir will, muß zuerst an mir vorbei.« Sophie zog ihr Schwert. Die Klinge schimmerte golden im Licht der untergehenden Sonne.
Matthiall nickte. »Versuch die Barriere zu finden, die von den Zauberzeichen gebildet wird… das sollte nicht allzu schwer sein. Unternimm nichts, solange nicht irgend jemand in diesen Kreis eindringt. Wenn das geschieht, dann kämpfe um dein Leben. Ich bete, daß ich dich morgen gesund wiedersehen werde.« Matthiall hob Jayjay auf und ging zum Zelt. Sophie blickte ihm hinterher.
Kurz bevor er hineinschlüpfte, hielt er an. »Wenn Jay und ich sterben sollten… die Straße befindet sich dort drüben.« Matthiall deutete nach Westen. »Geh nicht in den Wald und finde so schnell wie möglich eine Stadt.«
Bevor Sophie antworten konnte, war er im Zelt verschwunden. Sie hörte, wie Matthiall mit dem Reißverschluß des Moskitonetzes kämpfte. Entschlossen wandte sie sich ab und blickte in die untergehende Sonne.
Wieder auf Wache, dachte Sophie. Meine Wache - das letzte Mal habe ich tolle Arbeit geleistet. Ich weiß nicht, ob man es noch schlechter machen kann. Ich habe uns unseren Feinden ausgeliefert, als ich eingeschlafen bin… und jetzt bekomme ich wieder eine Chance. Na toll .
Sophie wanderte umher. Matthiall hatte von Zauberzeichen gesprochen. Sophie nahm nicht an, daß sie einfach zu finden sein würden. Sie beschrieb einen engen Kreis um das Zelt, den Blick nach außen gerichtet. Im Zelt war es ruhig bis auf das Rasseln von Jays Atem und Matthialls leises Murmeln.
» Vorwärts «, flüsterte Sophie. »Das Leben ist ein ständiges Vorwärts . Das Leben gibt niemals auf.«
Sie lief weiter. Inzwischen zog sie den zweiten Kreis um das Zelt. Sophie hatte noch immer nichts Ungewöhnliches entdeckt. Der dritte Kreis lag wieder ein Stück weiter außen.
Kein Feuerholz, dachte sie. Aber Sophie hatte nicht die Absicht, im Wald danach zu suchen.
»Ich hatte recht, als ich ihr das gesagt habe. Ich hatte recht! Es war ein guter Rat, und wenn sie ihn nicht gehört hat… Das sind die Regeln des Lebens: Laß die Bastarde nicht gewinnen; zieh dich nie zurück und gib niemals auf.«
Ein weiterer, noch größerer Kreis. Sophie kletterte über ihr Gepäck. Matthiall hatte seinen Rucksack offenbar mit ins Zelt genommen, obwohl sie nichts davon bemerkt hatte. Sophie marschierte weiter im Kreis - langsam, vorsichtig - und hielt nach Ungewöhnlichem Ausschau… nach Amuletten oder Runen. Sophie wußte nicht, wie die Symbole aussahen, also rechnete sie mit allem.
»Ich habe mich zurückgezogen. Ich habe meinen
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